© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Tunneldebakel auf der wichtigsten Nord-Süd-Strecke der Bahn
Verhängnisvolle Sparwut
Jörg Fischer

Vor 21 Jahren verpflichtete sich Deutschland per Staatsvertrag, Zubringerstrecken für die Alpentransversale Neat zu bauen – im ureigenen Interesse: darüber läuft ein wichtiger Teil unserer Warenexporte Richtung Italien/Mittelmeer. Der entscheidende Abschnitt – der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel durch die Schweizer Alpen – war 2016 ein Jahr vorfristig fertig. Die Deutsche Bahn (DB) hängt hoffnungslos hinterher – und seit 12. August stehen alle Räder auf der alten, überlasteten Rheintalbahn zwischen Karlsruhe-Basel still. Und das bis 7. Oktober, wie die DB-Führung vorige Woche mitteilte. Eigentlich sollte die nun eingebrochene 4,3 Kilometer lange Rastatter Tunnelbaustelle 2022 fertig sein.

„Die großsprecherische Politik Deutschlands, die gerne mal Vorgaben für Drittweltländer und andere beinhaltet, sie verdient in Anbetracht des Chaos im Güterverkehr nur Hohn und Spott“, ätzte die Baseler Zeitung. „Es ist genau dieselbe Politik, die es zuläßt, zwei von drei europäischen Nord- Süd-Achsen zwecks Sanierung zu schließen, während die dritte in offensichtlich dilettantischer Weise untertunnelt wird.“ Doch der Dilettantismus kommt nicht von ungefähr: Keiner der vier DB-Vorstände kommt vom Fach. Infrastruktur-Chef ist Ex-CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der nach 14 Jahren Bundestag 2015 nahtlos zur DB wechselte. Doch Pofalla überläßt die Krisenkommunitation Vorstandschef Richard Lutz, der sich überschwenglich für die Hilfe und die Ersatzkorridore über Frankreich und Österreich bedankt.

Dennoch stockt der Eisenbahnverkehr, Busse und Lkw sind kein Ersatz. Daß der Ausbau Rheinschiene nicht schon viel früher begonnen hat, ist typisch deutsch: Der Bau der ICE-Strecke Berlin-München wurde 1992 begonnen. Im Dezember dieses Jahres soll nun der Betrieb aufgenommen werden – immerhin vor dem Hauptstadtflughafen BER. In der Schweiz ist das Staatsbahnnetz seit 1960 vollständig elektrifiziert. In Merkels E-Auto-Wunderland sind es keine 60 Prozent.