© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/17 / 08. September 2017

„Stur und rücksichtslos“
Sudetendeutsche: Der Streit um die neue Satzung geht in die nächste Runde / Zurückgetretener Finanzreferent erhebt schwere Vorwürfe gegen Bernd Posselt
Gernot Facius

Zwischen beiden Ereignissen liegen nur zwei Tage: Am 26. August beschloß die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) zum wiederholten Male die umstrittene Satzungsänderung, die mit der alten Forderung nach „Wiedergewinnung der Heimat“ bricht. Am 28. August verlieh das bayerische Kultusministerium SL-Sprecher Bernd Posselt (CSU) und dem tschechischen christdemokratischen Kulturminister Daniel Herman die Auszeichnung „Pro meritis scientiae et litterarum“ für Verdienste um Wissenschaft und Kultur. 

Beiden Politikern sei es gelungen, zwischen den Bayern und den Böhmen, zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik eine Brücke zu schlagen, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) in seiner Laudatio. „Medaille für Vorkämpfer der Versöhnung“, titelte hocherfreut Posselts Hausblatt Sudetendeutsche Zeitung. Auf eineinhalb Seiten wurden Satzungsänderung und Posselt/Herman-Ehrung unübersehbar in einen Zusammenhang  gestellt. Nicht verbergen ließ sich allerdings, daß die SL auch nach der Wiederholungs-Bundesversammlung im unterfränkischen Bad Kissingen nicht zur Ruhe kommt. Von den 81 Abgeordneten waren nur 61 gekommen. Das mag zum einen der Urlaubszeit,  zum anderen der Resignation von Delegierten geschuldet sein, die Vorbehalte gegen den Kurs der SL-Führung hegen, sich aber nicht mehr durchsetzen können. 

Daß Posselt dennoch nicht mehr ganz unangefochten ist, zeigte sich bei seiner Wiederwahl  zum Bundesvorsitzenden.  Er erreichte zwar ein Ergebnis von 71,43 Prozent. Seine überraschend ins Rennen geschickte Gegenkandidatin Ingrid Reiß aus Hessen erzielte immerhin mit 23,2 Prozent einen Achtungserfolg. Als „Volksgruppensprecher“ wurde Posselt mit 80 Prozent bestätigt. Ob damit schon ein Schlußstrich unter die Querelen der Vergangenheit gezogen werden konnte und der Verband  „wieder handlungsfähig ist“, wie der Präsident der Bundesversammlung, Reinfried Vogler, meinte,  wird erst die Zukunft zeigen, zumal das SL-Mitglied Ingolf Gottstein aus Mönchengladbach, das die – erfolgreichen – Klagen vor Gericht auf Nichtigkeit früherer Bundesversammlungen in Gang gebracht  hatte, wegen „mehrfach verbandsschädigenden Verhaltens“ aus der Landsmannschaft ausgeschlossen wurde. Gottstein gehört zum nationalkonservativen Witikobund, dem die SL-Spitze eine eigene Präsenz auf dem Sudetendeutschen Tag verweigert hatte.  

„Dazu kommt der Krieg     mit den Witikonen“

Bereits am 28. August, also am ersten Werktag nach der Wochenendtagung auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen brachte der oberbayerische SL-Bezirksobmann Johann Slezak ein Fax an das Registergericht beim Amtsgericht München auf den Weg. Darin wurde beantragt, die Änderung der Satzung abermals zurückzuweisen. Slezaks Argumentation:  Die bei einer Zweckänderung vorgeschriebene Abstimmung aller Mitglieder sei  „erneut abgelehnt“ worden. Die Gründe dafür seien offensichtlich, denn die Mehrheit der eingetragenen Mitglieder der Sudetendeutschen Landsmannschaft lehne „diese Satzungs-Zweckänderung kategorisch ab“. 

Das CSU-Mitglied Slezak faßte seine Kritik in einer bitteren Anklage zusammen: Der derzeitige Vorstand der Landsmannschaft, „ob gültig oder nicht“, enthalte den Mitgliedern das Recht vor, bei dieser „gravierenden Zweckänderung“, die zu den Zielen der SL in eklatantem Widerspruch stehe, mitzubestimmen: „Das hat vermutlich politische Gründe, weil der Verzicht der Sudetendeutschen auf Heimat, Eigentum oder Restitution ein politisches Ziel, mittlerweile auch in Bayern, geworden ist.“ Die Institution SL und ihre Amtsträger sind aber auf die Zuwendungen aus der Politik angewiesen, also abhängig, da sonst womöglich die Insolvenz eintreten würde, wie der zurückgetretene Finanzreferent Peter Küffner in seinem Rücktrittsschreiben erklärt. 

Die Abhängigkeit der SL als Institution und ihrer Funktionäre ist der eigentliche Grund für die geplante Satzungs-Zweckänderung. Der gebürtige Karlsbader Küffner hatte unmittelbar vor der Bundesversammlung in Bad Kissingen in einem Fax an Bernd Posselt massive Kritik am Führungsstil des SL-Bundesvorsitzenden geäußert und ihm vorgeworfen, in finanziellen Dingen „sachdienliche Hinweise in den Wind“ zu schlagen. „Dazu kommt der Krieg mit den Witikonen; die SL kosten diese Verfahren bereits mehr als einen Monats-etat, vom Imageschaden abgesehen.“ 

Küffner schloß seine Rücktrittserklärung als Finanzreferent mit den anklagenden Sätzen: „Als Sprecher findest Du mitunter Anerkennung, wenn auch Deine Politik derzeit die Mitglieder spaltet und die Kultur alleine keine Zweckerfüllung oder gar politische Kraft nach Entrechtung, Enteignung und Vertreibung schafft. Als von den Witikonen getriebener Bundesvorsitzender führst Du stur und rücksichtslos die SL ins Risiko und verspielst unsere Zukunft. Diese exzessive Ausübung des Mandats möchte ich nicht begleiten …“ Küffner gehört dem Vorstand der Landsmannschaft als Beisitzer weiter an.