© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/17 / 08. September 2017

Knapp daneben
Wohlstand schafft Frieden
Karl Heinzen

China, so könnte man meinen, sollte als Staat mit 1,4 Milliarden Einwohnern eigentlich keine Probleme haben, stets genug Rekruten für seine Streitkräfte zu finden. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Volksbefreiungsarmee klagt über mangelnden Nachwuchs. Der Grund ist leicht identifiziert: Der rasant gewachsene Wohlstand fordert seinen Preis.

Junge Chinesen ernähren sich heute anders als ihre Vorfahren. Sie konsumieren Fastfood, Süßgetränke und übermäßig Alkohol. Körperliche Anstrengungen sind ihnen fremd. In Schule und Ausbildung sitzen sie bloß stundenlang herum. Ihre Freizeit verbringen sie mit Hobbys, die früher unbekannt waren. Computerspiele rauben ihnen den Schlaf und treiben damit ihren Blutdruck in die Höhe. Entweder fehlt ihnen die Zeit oder die Motivation, sich zu bewegen.

Die „gelbe Gefahr“ reduziert sich auf gierige Investoren, die rund um den Erdball Rohstoffquellen kaufen.

Das Ergebnis sind fette, kurzsichtige und übermüdete Wracks, mit denen vielleicht Banken und Behörden, nicht aber Streitkräfte etwas anfangen können. Junge Chinesen schleppen heute durchschnittlich fünf Zentimeter mehr Hüftumfang zur Musterung als Gleichaltrige vor 20 Jahren. Manche immer noch genutzte Panzermodelle älterer Bauart sind damit für sie unzugänglich geworden. 

Was chinesischen Militärs den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist für die Welt jedoch ein Grund zum Aufatmen. Die „gelbe Gefahr“ reduziert sich auf gierige Investoren, die rund um den Globus Rohstoffquellen, High-Tech-Firmen und Fußballvereine kaufen. Das Schreckgespenst von Heeresmassen, die sich über die Welt ergießen, gehört der Vergangenheit an. Wenn die Volksbefreiungsarmee in Zukunft mobilisiert, wird es Tage dauern und hohe Verluste fordern, bis ihre Uniformklöße den Weg von der Stube zum Kasernentor bewältigt haben.

Damit erfüllt sich das Versprechen der Globalisierung, daß mehr Wohlstand zu einer friedlicheren Welt führt. Die Kriegslust mag den Menschen zwar nicht auszutreiben sein. Dank ihrer körperlichen Verfassung wird ihnen aber nur der Joystick bleiben, um diese auszuleben.