© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/17 / 15. September 2017

Nato-Partner Türkei kauft russisches Raketenabwehrsystem
Ankaras Rückversicherung
Thomas Fasbender

Nun ist es soweit: Ankara erwirbt das russische Flugabwehrsystem S-400. Die Langstreckenraketen, die angeblich selbst Tarnkappenflieger vom Himmel holen, gehören zu den effektivsten der Welt. Dabei hatte es noch im Juli geheißen, das 2,5-Milliarden-Dollar-Geschäft scheitere an der Unwilligkeit Moskaus, den Türken Kredit zu gewähren. Davon scheint nicht mehr die Rede zu sein; am Dienstag bestätigte Präsident Recep Tayyip Erdogan, daß die Anzahlung unterwegs sei.

Die Russen beweisen mit der Lieferung ihrer modernsten Technologie an ein Nato-Land Selbstbewußtsein. Die Nato-Partner schäumen derweil vor Empörung. Ihre Reaktion dürfte Erdogan, der zur Zeit vor Kraft nicht laufen kann, sogar willkommen sein. Längst ist die formale Westbindung der Türkei – Nato-Mitgliedschaft und EU-Beitrittsverhandlungen – nur noch ein Feigenblatt bei der Rückkehr Ankaras auf die machtpolitische Bühne. Da paßt die Allianz mit dem ewigen Rivalen Rußland perfekt ins Bild, genauso wie die relative Nähe zum Iran. Oder zu Israel. Solange ungewiß ist, wer sich dem neoosmanischen Emporkömmling einmal ernsthaft entgegenstellen wird, bändelt Ankara vorsorglich mit allen Seiten an. Und fletscht bisweilen ordentlich mit den Zähnen. Daß Außenminister Sigmar Gabriel derweil die meisten deutschen Waffenexporte in die Türkei in der „Warteschleife“ läßt, dürfte Erdogan inzwischen kaum beeindrucken.