© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/17 / 15. September 2017

Grüße aus Santiago de Cuba
Irma, Matthew und Sandy
Alessandra Garcia

Draußen gießt es wie aus Kübeln, biegen sich die Palmen fast bis auf den Boden, ziehen seltsame dunkle Wolkengebilde dahin, drinnen hocken auf knapp hundert Quadratmetern 53 Kinder und Erwachsene andächtig vor dem Fernsehgerät. Unser Haus sowie drei weitere, also alle, die in unserem Dorf über ein Betondach verfügen, sind wie bereits in den vergangenen Jahren vom Blockwart zu sicheren Unterkünften erklärt worden. Auf diese hat er alle Einwohner verteilt.

So war es bei „Sandy“, jenem Hurrikan, der große Teile Santiago de Cubas zerstörte, im vergangenen Jahr bei „Matthew“, der die ganz im Osten Kubas gelegene Kleinstadt Baracoa voll traf. So war es auch diesmal, als „Irma“ angekündigt wurde. Zivilverteidigung und Armee spulten ihr Evakuierungsprogramm ab. Die Kubaner folgten brav. Sie deckten sich, soweit möglich, mit Lebensmitteln ein, bauten Vordächer ab, verrammelten die Häuser und versteckten Schätze wie TV-Geräte, Ventilatoren und Kühlschränke unter Planen.

Die Berichte aus dem nördlichen Havanna lassen Schlimmstes befürchten.

Im Haus sind acht der Anwesenden Säuglinge, zwischen einem und sechs Monaten alt. Eines schreit immer. Dazwischen toben kleine Kinder , die die Bedrohung durch die Natur noch nicht erfassen können und das Ganze als großes Abenteuer empfinden.

Besonders aggressiv zeigt sich mein zweijähriger Sohn, dem es vor allem darum geht, seine wenigen Besitztümer vor dem Zugriff der anderen zu schützen: die beiden Wasserspritzpistolen, die Gummiente, seinen Teddy und die hölzerne Nachziehente auf Rädern.

Damit von meinen Wertsachen nichts verschwindet, wurde der Dorfpolizist meinem Haus zugeteilt. Er sitzt in voller Uniform inmitten der Evakuierten und fühlt sich in seiner Rolle sichtlich unwohl. Zumal die Männer  gar nicht daran denken, sich an seine Weisungen zu halten. Immer wieder traut sich einer nach draußen, um kurz zu Hause nach dem Rechten zu sehen.

Das Fernsehen bringt – bis dann für bange Stunden der Strom ausfällt – Schreckensbilder von den Karibikinseln, die „Irma“ bereits aufsuchte sowie immer neue Berechnungen. Tobt sich der Hurrikan nur entlang der Nordküste aus? Wird er auch Santiago de Cuba treffen? Glück im Unglück. „Irma“ ließ den Südosten links liegen. Viele fürchten nun um Verwandte, die an der Nordküste und auf den vorgelagerten Inseln leben. Nachrichten aus Havanna lassen Schlimmstes befürchten.