© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

Monika Maron. So ändern sich die Zeiten: die Liberale gilt vielen heute als Rechte.
Gegen den Wind
Paul Leonhard

Jetzt reicht’s mir aber!“ Wenn dieser Satz in ihrem Kopf entstehe, weil die Wut über die Zustände im Land zu groß wird, dann melde sie sich in den Medien zu Wort, hat Monika Maron einmal der Welt verraten. Das sei wie ein Reflex: „Ich leide, wenn ich Argumente hören muß, die mir aus meiner alten Welt noch in den Ohren klingen: Man dürfe dieses und jenes nicht sagen, weil es den falschen Leuten nützt!“

Maron, zu DDR-Zeiten als Journalistin tätig, spielt damit auf ihren ersten Roman „Flugasche“ (1981) an, der von der Umweltverschmutzung im ehemaligen „Chemiedreieck“ (Halle-Merseburg-Bitterfeld) handelt und dem Ringen einer Journalistin zwischen Wahrheit und beruflicher Existenz. In der DDR durfte das Buch nicht erscheinen, im Westen begründete es ihren Ruf als Schriftstellerin. Es könnte aber auch jener Spiegel-Chefredakteur gemeint sein, der 2014 einen Gastkommentar Marons aus dem Blatt warf, weil der ihm zu „sarrazinmäßig“ erschien, wie die Autorin beklagte. Sie hatte darin gefragt, wie es „muslimische Verbände anstellen, daß ihre absurdesten Forderungen die Republik in Aufruhr versetzen“.

Es sind die Gesetzesbrüche in der Flüchtlingskrise, die Reglementierung der Sprache, das Lahmlegen des Parlamentarismus, die medialen Erziehungsprogramme, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die die die 1941 in Berlin Geborene und in der DDR Aufgewachsene umtreiben. „Die Politiker erklären ihre Handlungsohnmacht mit Gesetzen, an die sich außer Deutschland niemand hält, weil keines der Gesetze, auf die sie sich berufen, ein Volk zum kollektiven Selbstmord verpflichtet“, konstatierte Maron bereits 2016 in der FAZ.

Unlängst legte sie in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung nach. Freie Wahlen seien in der DDR etwas Verheißungsvolles gewesen, seit Jahren aber „sind sie für mich eine Zumutung“. Für die Kanzlerin wählt Maron das Bild eines Vampirs, „der jeder Partei und am Ende dem Parlamentarismus das Blut aussaugt und damit die eigene Unsterblichkeit nährt“. Dennoch sei eine Fortsetzung der „Merkel-Herrschaft“ wohl unvermeidbar, da es unter einem SPD-Kanzler „nur noch schlimmer werden kann“. Der größte anzunehmende Wahlunfall wäre aber, so Maron, „Merkel flankiert von Katrin Göring-Eckardt“.

Es sind Aussagen einer lebenserfahrenen Frau, die sich schon an den Gängeleien der DDR gerieben hat, und die heute warnt, daß in Deutschland Demokratie und Meinungsfreiheit ausgehöhlt werden. Illusionen macht sich Maron nicht. Gastbeiträge lösen keine Revolution aus. Wenn sie sich erneut zu Wort gemeldet hat, dann auch aus Verblüffung: „Ich dachte immer, ich sei liberal, aber im Fernsehen und den Zeitungen sagen sie, ich sei rechts.“ Und sie fragt sich: „Oder hat jemand am Meinungskompaß gedreht, so daß (...) rechts, links, liberal und ahnungslos völlig durcheinandergeraten sind?“