© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

Den Nachwuchs für die islamische Parallelgesellschaft trainieren
Ferngesteuert aus Ankara: Die Zeitschrift der Humanistischen Union bezieht Stellung gegen Ditib und die Indoktrinierung muslimischer Schüler
Oliver Busch

Die Abkürzung Ditib steht für „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“. Der größte islamische Dachverband, ein eingetragener Verein mit Hauptsitz in Köln, gebietet über 900 Moscheen und vertritt nach eigenen Angaben etwa zehn Prozent der türkischen Muslime in Deutschland. Ungeachtet des Namens, erschöpft sich der Vereinszweck naturlich nicht in der Religionspflege.

Zu Recht beschreibt daher der Jurist und Religionswissenschaftler Jelal Cartal Ditib als Agentur einer politischen Religion, deren Kölner Zentrale dem türkischen Ministerpräsidenten und dem staatlichen Religionsamt Diyanet in Ankara direkt unterstellt ist, deren Imame in der Türkei ausgebildet werden, nicht zuletzt um sich in ihren Freitagsgebeten regelmäßig zu politischen Themen äußern zu können.

Was Cartal in seiner Studie über den Ditib-Einfluß auf die Religionslehrerauswahl am Beispiel Niedersachsens ausführt, ist so neu nicht. Neu ist allerdings, daß ein solcher, dezidiert islamkritischer Text in der linksliberalen Zeitschrift vorgänge (Heft 217/2017) erscheint. Sie ist das Sprachrohr der Humanistischen Union (HU), die seit ihrer Gründung 1961 als „Bürgerrechtsbewegung“ für die strikte Trennung von Staat und Kirche, für die Befreiung des Menschen aus „klerikalen Fesseln“ ficht. Von diesen hehren Zielen mußte sich die HU freilich seit den 1970ern in dem Maße verabschieden, wie der gesellschaftliche Marktwert der „Volkskirchen“ verfiel. Aber höchste Relevanz, angesichts von Masseneinwanderung und Islamisierung, hätte ihr ursprünglich militanter Atheismus und Antiklerikalismus eigentlich wieder in der Berliner Republik gewinnen sollen. 

Doch wie im gesamten linken, „aufgeklärten“ Spektrum üblich, das feministische Heerlager eingeschlossen, wollte die HU eingeströmte Muslime nicht mit ihrem auf „Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung“ gerichteten Ideal der von „religiösen Vorurteilen“ befreiten „autonomen Persönlichkeit“ konfrontieren. Entsprechend verzagt gingen die vorgänge bisher mit der unerwarteten „Rückkehr der Religion“ um.

Cartal darf jetzt härtere Töne anschlagen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil angesichts des Umbaus der Türkei zum autoritären Führerstaat die bundesdeutsche Nomenklatura Ditib mißtrauischer betrachtet. So hat die linksgrüne niedersächsische Landesregierung Anfang 2017 Verhandlungen über den unterschriftsreifen, noch vom Islamversteher Christian Wulff (CDU) eingefädelten „Staatsvertrag“ mit Ditib deswegen ausgesetzt, weil der Muslim-Verein im Auftrag des Erdogan-Regimes offenbar Gläubige denunzierte.

Diffamierung von „Kuffars“ als „wertlose Menschen“   

Für Cartal ist dieser Verdacht nur die Spitze des Eisbergs. Der Verein, dem deutsche Politiker faktisch das Monopol bei der Ausbildung von Religionslehrern zubilligten, liefere nicht nur Informationen über Regimekritiker. Wesentlich schwerer wiege, daß er Lehrmaterialien verteile, die „Kuffars“ (Gottlose) als „wertlose Menschen“ diffamierten, den islamischen Märtyrergedanken und den Dschihad propagierten sowie Juden „exzessiv negativ“ zeichneten. Ditib habe gegen die Anerkennung des türkischen Völkermords durch den Deutschen Bundestag genauso aggressiv agitiert wie gegen das Menschenbild des Grundgesetzes. Der Unterricht der vierzig in Niedersachsen tätigen Islamlehrer spiegele wider, was im Verband die Regel sei: abweichende Meinungen und kritisches Hinterfragen des Koran würden „zumeist nicht toleriert“. 

Ditib, ein Synonym für „konservativer Islam“, verbreite eine „menschenrechtswidrige Ideologie“, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Durch die von Ankara befohlene Erziehung einer „religiösen Generation der Jugend“ arbeite Ditib daher nicht wie vom naiven hiesigen Politpersonal erhofft, an der „Integration“ junger Muslime. Im Gegenteil: Hier wird der Nachwuchs für die islamische Parallelgesellschaft trainiert.