© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Die US-Notenbank Fed will ihre aufgeblähte Bilanz verkürzen
Schein-Normalisierung
Thorsten Polleit

Die US-Notenbank macht ernst. So jedenfalls der Tenor der Marktbeobachter. Ab Oktober 2017 beginnt die Federal Reserve, ihre aufgeblähte Bilanz von jetzt 4,5 Billionen auf 2,8 Billionen Dollar bis Ende 2020 zu schrumpfen. Dazu wird sie die Tilgungszahlungen, die sie auf ihre Wertpapierbestände erhält, nicht mehr reinvestieren. Dem Bankensektor wird so nach und nach die überschüssige Liquidität entzogen. Die Fed wird zudem vermutlich ihren Leitzins, den sie bereits von 0,0 bis 0,25 Prozent im Dezember 2015 auf heute auf 1,00 bis 1,25 Prozent angehoben hat, noch etwas weiter erhöhen.

Aber steht jetzt wirklich die geldpolitische Wende an? Daran lassen sich Zweifel anmelden. Die Fed hat – und das haben die Marktakteure spätestens im Zuge der globalen Finanzkrise ab 2008 gelernt – de facto ein „Sicherheitsnetz“ unter die Konjunktur und die Finanzmärkte gespannt: Investoren können damit rechnen, daß die US-Notenbank, sollte es mit der Wirtschaft und den Preisen von Aktien, Häusern und Anleihen plötzlich abwärts gehen, wieder mit einer geldpolitischen Anschubleistung Gewehr bei Fuß steht.

Genau das dürfte auch der Grund sein, warum die Vermögenspreise, allen voran die Aktien- und Immobilienpreise ihren Höhenflug unbeeindruckt von den jüngsten Fed-Ankündigungen fortgesetzt haben; und daß die Kapitalmarktzinsen weiterhin auf sehr niedrigem Niveau verharren: Die Rendite für zehnjährigen US-Staatsanleihen liegt derzeit bei etwa 2,22 Prozent. Die Anleger haben vermutlich ganz richtig erkannt: Ein echter Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes ist kaum mehr möglich.

Denn die Schuldenlasten sind immens – und wohl auch nur noch tragbar für die Volkswirtschaften, wenn die Zinsen extrem niedrig bleiben. Anfang 2007 lag die Verschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte bei 210 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Ende 2016 war sie bereits auf mehr als 265 Prozent gestiegen – Tendenz steigend. Warum dann überhaupt die Anstrengungen der Fed, die Geldpolitik straffen zu wollen?

Nicht nur zu hohe Zinsen bringen die Kreditpyramide ins Wanken, sondern auch zu niedrige Zinsen. Bei extrem niedrigen Zinsen funktioniert irgendwann der Kreditmarkt, funktioniert das Bankensystem nicht mehr. Die Fed versucht mit ihrer Politik zwischen zwei Übeln hindurch zu jonglieren: Die Zinsen sollen sich zumindest leicht von der Nullinie wegbewegen, damit die Banken überleben; und sie dürften dabei nicht zu stark steigen, weil sonst gleich der nächste Crash vor der Tür steht.

Die Wahrscheinlichkeit, daß es nun zu einer „Normalisierung“ der Geldpolitik kommt, die das Wort verdient, ist daher relativ gering – und das gilt auch für den Euro-Raum.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Präsident des Ludwig von Mises-Instituts Deutschland.

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