© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Die Folgen einer „Ehe für alle“ für das Adoptionsrecht und den Familienbegriff
Und das Wohl des Kindes?
Knut Wiebe

Seit 1900, dem Jahr der Einführung des heute noch geltenden Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), war stets eindeutig, daß unter einer Ehe ausschließlich die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zu verstehen ist. Dies war und ist so selbstverständlich, daß sich eine dahingehende Definition im Gesetz nicht findet; sie war entbehrlich. Etwas anderes als eine Ehe von Mann und Frau kannte man nicht. Auch das 1949 verkündete Grundgesetz (GG) ist hiervon ausgegangen. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß nur Mann und Frau, sofern sie miteinander verheiratet sind, Eheleute sein können. Zu Recht, denn andernfalls hätte sich der in jüngster Zeit entstandene Begriff „Homo-Ehe“ nicht durchgesetzt. Nur dieser Begriff zeigt an, daß es sich um eine Lebensgemeinschaft aus jeweils zwei Personen gleichen Geschlechts handelt. Gesetzestechnisch liegt eine „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ vor, sofern sie auf dem Standesamt geschlossen worden ist.

Die „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ ist der herkömmlichen Ehe weithin gleichgestellt. Verblieben ist allein ein Unterschied im Adoptionsrecht. Nur Eheleute können ein Kind gemeinschaftlich annehmen, eingetragene Lebenspartner, da keine Eheleute, nicht. Um auch hier eine Gleichheit herzustellen, hat der Gesetzgeber die Ehe nun erstmals definiert und zwar dahin, daß sie entweder von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts geschlossen werden kann.

Dies allerdings war mit einem einfachen Gesetzesbeschluß verfassungsrechtlich nicht möglich. Die herkömmliche Ehe nämlich ist in Artikel 6 GG verankert und steht, wie auch die Familie, also zumindest Eltern und ihre gemeinschaftlichen Kinder, ausdrücklich „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“. Soweit man glaubte, von einer Verfassungsänderung absehen zu können, weil sich das Eheverständnis in der Bevölkerung geändert habe, muß dies – auch wegen des Verhältnisses von 36.000 Eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber 18 Millionen Ehen – als widerlegt angesehen werden. Selbst wenn man dem widersprechen wollte, ist das neue Gesetz nicht verfassungskonform.

Die Zusammenführung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft in den neuen Ehebegriff hat die grundgesetzliche Hervorhebung der herkömmlichen Ehe aufgehoben. Dabei hat ihr besonderer Schutz eine sachliche Berechtigung: Ausschließlich Lebensgemeinschaften von Mann und Frau, wie sie derzeit also immer noch weit überwiegend in herkömmlichen Ehen gelebt werden, können leibliche Kinder hervorbringen. Nur leiblich geborene Kinder können dem Staat die nächste Generation und damit sein Überleben sichern. Wer, ob Staat, Gesellschaft oder Kirche, nicht auf die nächste Generation achtet, stirbt aus.

Nach dem Recht muß die Adoption dem Wohl des Kindes dienen und zu erwarten sein, daß ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Jedenfalls die letztere Voraussetzung wird bei Eheleuten gleichen Geschlechts nicht angenommen werden können.

Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können zur Sicherung der nächsten Generation keinen, zumindest keinen direkten Beitrag leisten. Der in diesem Zusammenhang oft gegebene Hinweis auf die Möglichkeit einer Adoption geht fehl. Da die zu adoptierenden Kinder allein aus verschiedengeschlechtlichen Beziehungen stammen, nimmt die Kinderzahl durch Adoption nicht zu. Adoptionen können den Bestand des Staates nicht sichern. All dies ist entgegen vielfacher Äußerungen keine Benachteiligung Eingetragener Lebenspartner, schon gar nicht ist es eine Diskriminierung. Ihnen wird mit der versagten gemeinschaftlichen Adoption eines Kindes nichts verwehrt, geschweige denn genommen, was sie aus sich heraus haben könnten. Die Lebenssituation gleichgeschlechtlicher Paare ist, ob ungebunden oder (bislang) verpartnert oder (demnächst) verheiratet, schlicht eine andere als die von Eheleuten verschiedenen Geschlechts.

Sind Personen gleichen Geschlechts demnächst miteinander verheiratet, so können sie als Eheleute zwar ein Kind gemeinschaftlich annehmen. Aber nur grundsätzlich. Denn nach Paragraph 1741 BGB muß hinzukommen, daß die Adoption „dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht“. Jedenfalls die letztere Voraussetzung wird bei Eheleuten gleichen Geschlechts nicht angenommen werden können. Denn nur Eheleute (oder eheähnliche Lebensgemeinschaften, um die es hier aber nicht geht, da sie nicht verheiratet sind) können – grundsätzlich jedenfalls – Vater und Mutter sein. Bei Eheleuten gleichen Geschlechts ist dies nicht der Fall.

Auch dies ist keine Diskriminierung und hat nichts damit zu tun, daß sich im Einzelfall ein Kind bei zwei Personen gleichen Geschlechts gut entwickeln kann. Dies ist etwas anderes als ein „Eltern-Kind-Verhältnis“. Dieses muß vor allem auch aus der Sicht des Kindes so erlebt werden können.

Daß Eheleute gleichen Geschlechts die Voraussetzung für die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes nicht erfüllen können, ergibt sich auch aus folgendem: 

Nach § 1591 BGB ist die Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat; Vater des Kindes ist gemäß § 1592 BGB derjenige, der im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dessen Mutter verheiratet ist, sofern nicht anderweitig die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird.

Sind nun demnächst zwei Frauen miteinander verheiratet und bekommt eine dieser beiden „Ehefrauen“, zum Beispiel über eine Samenspende, ein Kind, so ist diese die Mutter des Kindes, da sie es geboren hat. Die andere Ehefrau wäre dann der „Vater“ des Kindes, was naturgemäß nicht sein kann. Eine dahingehende „rechtliche Vaterschaft einer Frau“ zu konstruieren verbietet sich, andernfalls das Recht von der breiten Bevölkerung nicht mehr verstanden würde. Es wäre die reine Fiktion.

Nicht minder deutlich wird die Entfremdung des Rechts vom tatsächlichen Sachverhalt, wenn zwei „Ehemänner“ über fremde Samen- und Eispende und Austragung mittels einer Leihmutter ein Kind gemeinschaftlich annehmen wollen: dann müßte der eine Mann (welcher?) der Vater des Kindes sein, und der andere Mann die „rechtliche Mutter“ werden. Eine dahingehende gesetzliche Fiktion müßte ebenso willkürlich wie absurd genannt werden.

Es zeigt sich somit: Eine Angleichung von solch ungleichen Sachverhalten wie Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft ist weder tatsächlich möglich noch rechtlich zulässig. Dies zeigt der Blick nicht nur auf Artikel 6, sondern auch auf Artikel 3 GG. Schützt Artikel 6 den Bestand von Ehe und Familie und damit auch das „Eltern-Kind-Verhältnis“, so schützt Artikel 3 vor Ungleichbehandlungen. Hiernach darf Gleiches nicht ungleich und Ungleiches nicht gleich behandelt werden, jedenfalls nicht bei der hier zum Tragen kommenden Verschiedenheit von Mann und Frau.

Bliebe noch die Möglichkeit, die gemeinsame Adoption eines Kindes unter Aufhebung der Erwartung eines „Eltern-Kind-Verhältnisses“ als Adoptionsvoraussetzung zu ermöglichen. Das „Eltern-Kind-Verhältnis“ allerdings hängt untrennbar mit dem Begriff der Familie zusammen. Die Familie wiederum ist, genau wie die Ehe, von Artikel 6 GG unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ gestellt. Daraus folgt, daß auch der Begriff der Familie, hier konkret: das „Eltern-Kind-Verhältnis“, nicht ohne Verfassungsänderung neu definiert werden kann. Würde der Bundestag solches beschließen, hätten adoptierte Kinder nur noch ein Verhältnis zu Begleitpersonen gleichen oder verschiedenen Geschlechts. Oder wollte man dann auch noch festlegen, daß Ehegatten gleichen Geschlechts rechtlich auch Vater und Mutter sein könnten?

Die Handhabung bei einer Leihmutterschaft, die das im Reagenzglas erzeugte und in eine Leihmutter zur Austragung implantierte Kind zum reinen Vertragsgegenstand macht, verstößt nun eindeutig gegen die Menschenwürde. Soll das Praxis werden?

Ohne weitere Unsäglichkeiten aufzuzeigen, muß man fragen, ob man die Adoption von Kindern wirklich von vornherein mit der Verletzung ihrer Menschenwürde belasten und ihnen ein „Eltern-Kind-Verhältnis“ vorenthalten will? Von allem abgesehen, würde dann auch noch die Zahl der in Deutschland zwar verbotenen, im Ausland aber zulässigen Leihmutterschaften steigen. Die Handhabung bei einer Leihmutterschaft, die das im Reagenzglas erzeugte und in eine Leihmutter zur Austragung implantierte Kind zum reinen Vertragsgegenstand macht, verstößt nun eindeutig gegen die Menschenwürde, die nach Artikel 1 GG nicht einmal angetastet, geschweige denn verletzt werden darf. Soll das Praxis werden?

Würde man an der „Ehe für alle“ mit der Folge einer „Adoption für alle“ festhalten wollen, würde nach und nach das bisherige Familienrecht und zumindest auch ein Teil des Abstammungsrechts mit den dann nicht mehr zu beantwortenden Fragen zur Herkunft eines Kindes, ansonsten sehr wichtig für das Bundesverfassungsgericht, beeinträchtigt werden. Womöglich wird auch das Staatsgefüge in Mitleidenschaft gezogen, denn die meisten Eltern leben nach wie vor mit ihren Kindern in ehelichen oder vergleichbaren nichtehelichen Lebensgemeinschaften zusammen und zwar ganz überwiegend auch in intakter Familiensituation. Daran, daß diese Lebenssituationen gefährdet werden, kann ein Staat kein Interesse haben.

Nach allem spricht also nichts für die „Ehe für alle“. Ihr Ziel, eingetragenen Lebenspartnern oder demnächst Ehegatten gleichen Geschlechts Adoptionen zu ermöglichen, wie sie sinnvollerweise nur von Ehegatten verschiedenen Geschlechts wahrgenommen werden können, dürfte sich als tatsächlich nicht möglich und rechtlich als unzulässig erweisen. Damit kann an der „Ehe für alle“ eigentlich niemand ein Interesse haben; es würde eine Ehe mit zweierlei Adoptionsrecht.

Da das neue Eheschließungsgesetz aber bereits zum 1. Oktober 2017 in Kraft tritt und von vielen für wirksam gehalten wird, wäre eine Klärung zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit durch eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts sinnvoll. Angesichts der bereits erfolgten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, beispielsweise zur Zulassung des Ehegattensplittings wie auch der Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner, muß man die Erfolgsaussicht allerdings skeptisch beurteilen. Dennoch sollte man dem Bundesverfassungsgericht die Widersprüchlichkeit der bereits erfolgten und weiter zu erwartenden Gesetzgebung aufzeigen. Die Kinder, nicht die Eheleute gleichen Geschlechts, werden die Leidtragenden sein.






Knut Wiebe, Jahrgang 1946, ist Richter im Ruhestand und Vorstandsmitglied der „Juristen-Vereinigung Lebensrecht“ (Köln), zugleich auch Mitglied der Redaktion der „Zeitschrift für Lebensrecht“.

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Foto: Babyschnuller im Schatten der „Homo-Ehe“: Nach allen vernünftigen Überlegungen spricht nichts für die „Ehe für alle“. Ihr Ziel, eingetragenen Lebenspartnern oder demnächst „Ehegatten“ gleichen Geschlechts Adoptionen zu ermöglichen, wird aus den Kindern die Leidtragenden machen.