© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Kurdisches Unabhängigkeitsreferendum
Furcht vor Dominoeffekten
Michael Wiesberg

Das Referendum im Nordirak, mit dem die dortigen Kurden ihrem Recht auf Selbststimmung Nachdruck verleihen wollen, erbrachte das zu erwartende Ergebnis: Über 93 Prozent plädierten für die Unabhängigkeit von Bagdad und verschärfen damit nicht nur die Spannungen zwischen den Volksgruppen im Irak, sondern sorgen vor allem bei den Anrainerstaaten Türkei und Iran für hektische Aktivität, die in ihren Kurdenregionen Dominoeffekte fürchten. Ankara droht mit einer Blockade der Kurdenregion und hat auch einen Militäreinsatz nicht ausgeschlossen. Teheran verbot vorübergehend Öltransporte in und aus den Kurdengebieten. Auch die USA monierten, daß es dem Referendum an „Legitimität“ fehle, und riefen alle Seiten zum Dialog auf.

Ähnliches ließ Außenminister Sigmar Gabriel verlauten, der von allen Seiten „Besonnenheit“ einforderte. Auch die irakische Regierung hat keine Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie das Referendum als illegitim einstuft; ein möglicher Abfall des rohstoffreichen Nordiraks wäre ihrer Sicht nach ein Super-GAU. Aufsehenerregend ist die Annäherung der sunnitischen Türkei und des schiitischen Iran, die sich im syrischen Bürgerkrieg unversöhnlich gegenüberstehen. Hier könnte das gemeinsame Interesse der beiden rivalisierenden Regionalmächte,  einen autonomen Kurdenstaat unter allen Umständen zu verhindern, zu einer bis vor kurzem noch undenkbaren Kooperation führen.