© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Ulrich Greiner. Der Zeit-Journalist bekennt sich in seinem Buch zum Konservatismus
Das Recht, rechts zu sein
Thorsten Hinz

Der Klub der Ex-Linken und Ex-Liberalen, die vom Unbehagen an Merkels alternativloser Gegenwart zur politischen Kehre veranlaßt wurden, kann einen Neuzugang verbuchen: „Heimatlos. Bekenntnisse eines Konservativen“ heißt das neue Buch des Journalisten Ulrich Greiner, der sich schon in der Einleitung sehr entschieden gibt: Wenn „die Linken und die Grünen und die dominanten Akteure der Mehrheitsparteien und die kommentierende Klasse in den Medien“ endlich ihre Diskurshoheit verlören – er würde es begrüßen!

Greiner, 1945 in Offenbach geboren, gehört zu den führenden Kulturjournalisten. Als Nachfolger von Fritz J. Raddatz war er ab 1986 zehn Jahre lang Feuilletonchef der Zeit und verantwortete danach das Literaturressort. Bis heute ist er der Wochenzeitung verbunden und sorgt seit einiger Zeit für Kontrapunkte zur transatlantischen, brüsselaffinen und seit 2015 merkeltreuen Blattlinie. Im März 2016 löste er mit dem Aufsatz „Vom Recht, rechts zu sein“ im Kulturbetrieb ein vernehmliches Grummeln aus. 

Als „Homo politicus“ war er bis dahin nicht aufgefallen. 1990 hatte er im Literaturstreit über die Rolle der Schriftsteller in der DDR und der Bundesrepublik einen eigenen Akzent gesetzt, als er den Begriff „Gesinnungsästhetik“ in die Debatte warf. In Analogie zu Max Webers „Gesinnungsethik“ war eine Kunst gemeint, die sich dem vorgeblich guten Zweck – vom Antifaschismus über den Feminismus bis zur Ökologie – verschrieb und dabei zum Sprachrohr von Ideologien verkam. Greiner begreift die Produktion und Rezeption der Kunst als einen Akt der Transzendenz, der den Menschen über das Sekundäre der Gegenwart erhebt. Die Parallelen zu Motiven und Gedankengängen von Botho Strauß, auf dessen „Bocksgesang“ er sich im aktuellen Buch ausdrücklich bezieht, sind offensichtlich. 

In Deutschland, das er von den Furien des Verschwindens heimgesucht sieht, fühlt er sich heimatlos. Sein Buch beschreibt den Ablösungsprozeß eines Grüblers und katholischen Kulturbürgers vom Fortschritts- und Aufklärungsjargon der Bundesrepublik, ohne allerdings deren Denk- und Möglichkeitshorizonte zu überschreiten. Sein Konservatismus ist nicht revolutionär und konzeptionell gedacht, sondern impressionistisch und punktuell: Der Fremde, der die Grenzöffnung nutzt, um sich in unserer Nachbarschaft niederzulassen, wird deshalb nicht automatisch zum Nächsten. Selbstverständlich ist Greiner dagegen, daß Homosexuelle diskriminiert werden – aber muß man deshalb die Ehe für sie öffnen, die doch auf Fortpflanzung angelegt ist? Greiner fürchtet den Kulturbruch, der durch die Reproduktionsmedizin droht: Der künftige Mensch wäre nicht nur heimat-, er wäre auch herkunftslos. An Stellen wie dieser wirkt sein braver Konservatismus plötzlich erhellend. Willkommen im Klub!