© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Unterrichts-Stoff
Kriminalität: In Stuttgart steht eine Grundschule vor dem Aus, weil Drogensüchtige den Pausenhof verunreinigen / Berliner Gymnasium wehrt sich gegen Prostituierte
Christian Schreiber

Schulen sollten eigentlich ein Rückzugsort sein, an dem Kinder und Jugendliche in Ruhe den Grundstein für ihre spätere berufliche Laufbahn legen können. Doch die Realität sieht leider ganz anders aus. An immer mehr Lehranstalten herrscht ein Klima aus Haß und Gewalt. Phänomene wie Drogenmißbrauch und Prostitution kommen hinzu. Bundeseinheitliche Zahlen gibt es allerdings noch nicht, die Rückfragen bei einzelnen Landesbehörden sprechen eine deutliche Sprache. In Baden-Württemberg etwa hat sich die Zahl der Drogendelikte im Schulumfeld zwischen 2011 und 2015 von 348 auf 939 Fälle fast verdreifacht, Nordrhein-Westfalen meldet eine Verdoppelung der Fälle (von 443 auf 897 Delikte), und auch in Thüringen hat es eine signifikante Steigerung (plus 45 Prozent) gegeben. 

Schulleitung fürchtet um ihren guten Ruf

In den meisten Fällen handelt es sich dabei um den Mißbrauch von Cannabis, über dessen Legalisierung seit Jahren vehement gestritten wird; doch Experten warnen davor, daß die Substanz leicht zur Einstiegsdroge werden könnte. „Derjenige, der sogenannte weiche Drogen anbietet, kann in aller Regel Härteres besorgen“, meint beispielsweise das baden-württembergische LKA. 

In der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Situation bereits derart eskaliert, daß eine Schule unmittelbar von der Schließung bedroht ist, weil der Übergang von der Drogenszene zum Schulhof mittlerweile fließend ist. Nachdem jüngst nicht nur vor der Schule, sondern auch auf dem nachts abgesperrten Schulhof von Drogensüchtigen benutzte Spritzen gefunden wurden, spitzt sich die Lage in der Jakobschule im Leonhardsviertel weiter zu. Ein Elternsprecher berichtete den Stuttgarter Nachrichten den Fund von mehr als 40 Spritzen auf den Schulwegen sowie von zwei weiteren auf dem Schulhof. In der ersten Schulwoche habe er „auf 50 Metern Weg drei offene Drogendeals gesehen“. Er könne nicht verstehen, „warum die Polizei nicht eingreift“. Die erklärte mittlerweile, sie könne nicht permanent Streife laufen, es fehle ihr an Personal. Die Schulleitung habe sich bislang geweigert, öffentlich dagegen vorzugehen, sie fürchte um den Ruf der Schule. 

Beispiele aus Schulen in Problemvierteln Nordrhein-Westfalens zeigen aber, daß Abtauchen keine Lösung ist. Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Dorothea Schäfer, forderte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, schwere Straftaten nicht unter der Decke zu halten. Der Ruf einer Schule könne auch durch mangelnde Konsequenz gefährdet werden. Straftaten auf Schulhöfen seien keinesfalls eine Seltenheit, sagte die Düsseldorfer Kriminalkommissarin Petra Reichling. 

Im Berliner Stadtteil Tiergarten hat die Verwaltung nun zu einer drastischen Maßnahme gegriffen und einen Zaun um das Französische Gymnasium gezogen. „Es gibt bereits seit mehreren Jahren Beschwerden der Schule, daß schulfremde Personen das Schulgelände betreten und zum Teil Müll, Unrat und sonstige Verschmutzungen hinterlassen“, sagte Schulstadtrat Carsten Spallek gegenüber der Tageszeitung B.Z. Die hatte den Zaun spöttisch als „Liebestöter“ bezeichnet, weil vor allem Prostituierte auf dem Straßenstrich in unmittelbarer Nähe der Schule ihrer Tätigkeit nachgehen.