© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Negativwahlkampf gegen Sebastian Kurz
Nationalratswahl Österreich (Teil 2): Der Alleinunterhalter wird mit „Schmutzkübeln“ bekämpft
Verena Rosenkranz

Vom Geil-o-Mobil zur Kanzlerlimousine in nur zehn Jahren. Was als Wahlkampfscherz des einstigen Chefs der Jungen Volkspartei für Furore sorgte, ist heute fast vergessen. Ein charismatischer, junger Sebastian Kurz gibt jetzt in jeder Situation die richtigen Antworten, hat seine Amtszeit als Außenminister gekonnt auf dem internationalen politischen Parkett genutzt, um sich einen Namen zu machen, und hat nun Kurs auf den Kanzlerposten genommen.

Bei den kommenden Nationalratswahlen in Österreich könnte er abermals den Rekord als „Jüngster“ brechen. Mit 17 Jahren war das heutige Aushängeschild der Altpartei bereits Mitglied in der Jungen ÖVP, vier Jahre später deren bundesweiter Vorsitzender. Mit 23 Jahren war er Landtagsabgeordneter in Wien und nur ein Jahr später Integrationsstaatssekretär. Ein Amt, das für ihn erfunden und auf ihn maßgeschneidert wurde, bevor er mit nur 27 Jahren zum jüngsten Außenminister Europas gemacht werden sollte. Denkbar realistisch könnte er nun nach dem 15. Oktober auch „jüngster Bundeskanzler“ der Alpenrepublik werden.

 Die SPÖ und der Schmutzkübel

Einen derart glamourösen Aufstieg zu stoppen ist nicht einfach. Das hat offenbar auch die SPÖ erkannt und daraus Konsequenzen gezogen. Gesucht wurde einer, der scheinbar Unaufhaltbares aufhalten kann. Gefunden wurde Tal Silberstein, israelischer Wahlkampfmanager, der sich seine Lorbeeren schon in den USA, Israel und Österreich verdient hatte. Der Wahlsieg des Andreas Gusenbauer 2006 gegen den haushohen Favoriten Wolfgang Schüssel wurde maßgeblich Silberstein zugeschrieben. Einer wie er konnte einem Wahlkampf einen entscheidenden neuen Verlauf geben, wie 2001 für die SPÖ in Wien, wo sie die absolute Mehrheir zurückerobern konnte.

Doch diesmal ging der Israeli zu weit. Mit „Schmutzkübeln“, wie man im Österreichischen sagt, habe er versucht den Saubermann Kurz lahmzulegen. Durchauch im Sinne seines damaligen Dienstherrn bei der SPÖ erstellte Silberstein zwei gefälschte Facebookseiten, um Kurz Wähler auf beiden Seiten des politischen Spektrums abzujagen. Die eine Webseite täuschte vor, von Kurz eigener Partei zu sein, macht dabei aber fremdenfeindliche und antisemitische Aussagen, wie sie eher rechts von der FPÖ erwartet werden.

Die zweite Seite suggerierte durch ihr Erscheinungsbild pro FPÖ zu sein und unterstellte Kurz beispielsweise Nähe zum Großinvestor und Milliardär George Soros, der für Teile der Freiheitlichen der Teufel in Person ist. Damit hoffte die SPÖ, zwei Fliegen auf einen Streich zu erschlagen, da der Schmutzwerfer sich notwendigerweise immer auch selbst beschmutzt. Tal Silberstein selbst wurde im August in Israel vorübergehend festgenommen. Daraufhin flog die Kampagne der SPÖ auf, und diese beendete den Vertrag mit Silberstein. Die Negativkampagne fällt damit kurz vor der Wahl auf sie selbst zurück.

Im Mai hatte überraschend der nun Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) noch während der laufenden Amtszeit seinen Posten abgetreten. Mit den Worten: „Ich habe genug, meine Damen und Herren, damit darf ich abdanken“, gab er seinen offiziellen Rücktritt für den 15. Mai bekannt und löste damit vorgezogene Neuwahlen und einen völligen Umbruch in der Volkspartei aus. In einer ersten Reaktion ließ der angedachte Nachfolger, Sebastian Kurz, damals den Medien und auch seinen Parteikollegen ein lange einstudiertes „Ich bin kein Platzhalter“ ausrichten.

Er legte damit den Grundstein für eine völlige Umstrukturierung der Altpartei, bei der kein Stein auf dem anderen bleiben sollte. Zwei Tage später gab er auch schon seine Bedingungen für eine Parteiübernahme bekannt. Unter der Auflage, selber alle Personalentscheidungen treffen zu dürfen, könne er sich vorstellen, die Agenden des Parteichefs zu übernehmen und mit einer von der ÖVP unterstützten Liste bei den anstehenden Nationalratswahlen zu kandidieren. Erste Umfragen nach dem großen Umbruch beim langjährigen Koalitionspartner bestätigten die „Marke Kurz“ und hievten ihn bereits ins Kanzleramt. Die „Liste Kurz – Volkspartei neu“ buhlt seither in türkiser Farbe um die Gunst der Wähler. Die altgedienten ÖVPler sucht man vergebens. Prominente schafften es dagegen ins Kurz-Team.

Dem 31 Jahre alten Studienabbrecher (Jura) gelang es zudem, ein Wahlprogramm in klarer Sprache zu formulieren: „Das Jahr 2015 war ein Schock für viele Menschen in diesem Land. Durch die Politik des Weiterwinkens hat sich die Anzahl der Asylanträge explosionsartig auf fast 90.000 erhöht. Wir müssen selbst entscheiden, wer in Österreich einreist, und die Obergrenze für illegale Zuwanderung auf null setzen“, heißt es dort. Daß Sebastian Kurz damals Außen- und Integrationsminister war, haben viele allerdings längst vergessen.

Kampagnenseite des ÖVP-Chefs:  www.sebastian-kurz.at

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