© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Richtungsdebatte der Union
Konservativ ist wieder sexy
Dieter Stein

Man reibt sich verwundert die Augen, wenn man diesen Text  liest: Es brauche eine „konservative Stimme (...) gegen Denkverbote und Meinungspolizei“, heißt es dort, und „alles, was nicht im Geist der Alt-68er steht, gilt als rechts und damit als schlecht.“ Hat das die JF geschrieben? Nein. Kaum zu glauben: Das steht in einem Zehn-Punkte-Plan der CSU für das am vergangenen Wochenende stattgefundene Gespräch mit der CDU-Führung.

Verblüffend deutlich werden die Defizite der Union aufgelistet und vor einer weiteren Erosion der Wählerschaft in der rechten Mitte gewarnt. Warnend heißt es in Richtung Merkel-Entourage, die Union war „nie nur ein Kanzlerwahlverein“, es sei ein „politisches Vakuum“ entstanden, weil „bis auf die CSU alle etablierten Parteien links der Mitte wahrgenommen werden“. Der Verfasser des Papiers, der Chef der CSU-Grundsatzkommission Markus Blume, stellt fest, daß es seit dem Aufkommen der AfD „keine linke Mehrheit mehr gebe“, der Zeitgeist sei inzwischen konservativ, ja: „Konservativ ist wieder sexy.“ Da legst di nieder, wie man in Bayern sagen würde.

Doch ist die Botschaft in der CDU-Parteizentrale angekommen? Daran darf gezweifelt werden. Auf dem Deutschlandtag der Jugendorganisation Junge Union in Dresden schleuderte in einer Brandrede ein Kreisvorsitzender aus NRW, Diego Faßnacht, der Kanzlerin entgegen, man habe im Adenauerhaus offenbar „den Knall nicht gehört“, die Verlautbarungen nach der Wahl, in denen sich die CDU rühme, alle strategischen Ziele erreicht zu haben, zeugten von „Arroganz und Ignoranz“, und er forderte Merkel auf, den Weg „für einen inhaltlichen und personellen Neubeginn“ freizumachen. 

In einem Beitrag für die FAZ warf der thüringische Landeschef der CDU, Mike Mohring, seiner Partei vor, Konservative nicht angehört zu haben. Einwände gegen die Asylpolitik wurden „in Tabuzonen verbannt“. Die CDU habe lange damit leben müssen, daß das „linke Spektrum“ den „Raum des Diskutierbaren“ bestimmt habe. Es sei zu begrüßen, daß die umstrittene „Willkommenskultur“ nun zum „Höhe- und Endpunkt“ dieser linken Diskurshoheit geworden sei. Selbstkritisch moniert Mohring, die CDU habe „entweder nicht den Ehrgeiz oder die Ausdauer gehabt“, der „linken Weltsicht samt der Politischen Korrektheit etwas entgegenzusetzen“. In diese „Repräsentationslücke“ sei jetzt die AfD gestoßen. „Rechts ist einstweilen nicht mehr nichts.“

So scheint vieles in Bewegung. Die neue Unübersichtlichkeit ist erfrischend für die Republik. Wie heißt es doch im CSU-Papier? „Debatte muß wieder in der ganzen Breite stattfinden, nicht nur hinter vorgehaltener Hand oder in den Meinungshöhlen im Internet.“ Viele Bürger werden sich über den neuen demokratischen Meinungsstreit freuen.