© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Besteuerungsvorschläge der EU zur digitalen Wirtschaft
Die Krux mit der Datenwolke
Dirk Meyer

Margrethe Vestager spricht Klartext: EU-Staaten hätten Internetkonzernen illegale Steuerrabatte gewährt: Luxemburg mit 250 Millionen Euro an Amazon, Irland mit 13 Milliarden Euro an Apple. Über Lizenzgebühren, Markenrechte und Kreditzinsen von Töchtern würden Gewinne aus Hochsteuerländern in solche Steueroasen verschoben. Die mit den Konzernen verabredeten „nationalen Standortpolitiken“ sind ein unlauterer fiskalischer Wettbewerb. Die Steuervorteile widersprächen EU-Recht, da sie gegen das Binnenmarktprinzip verstoßen würden, so die Wettbewerbskommissarin.

Hiervon ist die generelle Problematik der Besteuerung digitaler Wertschöpfungen zu unterscheiden. Datenbasierte Geschäftsmodelle haben keine zentrale Produktionsstätte, wo die Wertschöpfung stattfindet. Stattdessen arbeiten Programmierer weltweit verstreut, das Geschäft spielt sich in der „Cloud“ ab. Deshalb greifen die traditionellen Grundsätze einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit auf der Basis einer im Hoheitsgebiet ansässigen Betriebsstätte nicht mehr. Die Folge: Es wird eine Verlagerung der Erträge in Länder mit niedrigen Abgaben erleichtert – ganz nationale Steuergeschenke. Wolfgang Schäuble forderte, die Internetkonzerne sollten ihren „fairen Anteil zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leisten“ – doch wird die nationale Infrastruktur überhaupt genutzt? Schon eher greift die Argumentation, Google nutze seine Suchmaschine, die Daten der Kunden abzugreifen, um diese entweder weiterzuverkaufen oder hohe Werbeeinnahmen bei den Werbekunden zu erlangen. Nutzung und Wertschöpfung verschmelzen in einer „virtuellen“ Betriebsstätte unserer internetfähigen Endgeräte.

Mit dem Ziel, einer wirksamen und konsistenten Besteuerung aller Firmen will die EU-Kommission 2018 einen Entwurf zur Anpassung der Steuersysteme an die digitalen Geschäftsmodelle vorlegen. Eine Überlegung zielt auf eine spezielle Umsatzbesteuerung, etwa einer EU-weiten Werbesteuer. Vorteile einer einfachen Erhebung stehen die Nachteile einer Mehrfachbesteuerung entgegen, sollte die Leistungserstellung über mehrere Handelsstufen gehen. Unterstützung findet die „Ausgleichssteuer“ in Deutschland, Italien und Frankreich.

Irland, Malta und Luxemburg sind dagegen. Auch Deutschland profitiert als Exportweltmeister vom geltenden System, denn die Produktion des Exportüberschusses beläßt die Wertschöpfung und die damit verknüpften Steuereinnahmen im Inland. Bei der aus Amerika kommenden Idee einer Grenzausgleichssteuer (BTA, JF 7/17) wäre dies umgekehrt: Exportumsätze würden steuerbefreit und erst im Importland besteuert. Das Ifo-Institut hat hierfür einen Steuerausfall von 84 Milliarden Euro errechnet: Also aufgepaßt bei Änderungen!






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.