© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

CD-Kritik: Krzysztof Penderecki
Chorklangwunder
Jens Knorr

Gesammelt müsse werden, sagte Goethe, komme die Zeit, der Herbst des Lebens, so müsse die Ernte in die Scheuer kommen, das zerstreut Gewachsene unter Dach und in Sicherheit gebracht sein.

Die zweite Folge von Kompositionen des 1933 geborenen Polen Krzysztof Penderecki umfaßt religiöse Chorwerke aus den Jahren 1962 bis 2012. Diese Musik sei ihm teuer, betont Penderecki und erklärt sie für seine beste. Unter dem Dirigat des Komponisten machen in den Stücken aus fünfzig Jahren Clustertechniken, rhythmisches Sprechen, Dodekaphonie und Neo-Diatonik kaum mehr einen Unterschied. Das Heil scheint für Penderecki nur um den Preis schöpferischer Imaginationskraft zu erlangen gewesen zu sein. 

Verhandelt Pendereckis Kirchenmusik wahrhaft noch eine Sache zwischen Gott und seinem Volk? Oder soll sich sein Volk in Heiligenbildchen versenken, anstatt sich nach bilderlosen Bildern umzuhören? Eingesprengte dringliche Anrufungen des Agnus Dei: empfunden oder kalkuliert?

Die Verführung durch das Wunderbare des Katholizismus findet in Pendereckis Chorwerken selten statt – auch nicht die Verführung durch das Wunderbare des Judentums im „Kadisz“ von 2009. Aber in wunderbarer Interpretation durch Chor und Knabenchor der Warschauer Philharmonie vermag neugewandete Kuttenklassik zarte Saiten in unseren Seelen anzureißen.

Penderecki dirigiert Penderecki Vol. 2 Warner Classics, 2017  www.filharmonia.pl