© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Ländersache
Hilfe ohne Lob
Paul Leonhard

In Sachsens Hauptstadt kümmert sich seit etwas mehr als einem Jahr ein privat finanzierter Verein um Obdachlose.  „Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen“ ist zwar ein etwas umständlicher Name, der Verein erfreut sich aber großer Beliebtheit bei Spendern wie Bedürftigen.

Die Wochenzeitung Zeit vermutete dahinter sofort Neonazis oder wenigstens Rassisten. „Pegida macht jetzt auf sozial“ schrieb die Hamburger Wochenzeitung einmal in ihrer Online-Ausgabe. Und: „Die Beschränkung der Hilfe auf deutsche Bedürftige hat in Dresden eine gewaltige Hilfsbereitschaft freigesetzt.“ Diese hält trotz solcher „Aufklärung“ bis heute an. 

Erst vergangene Woche konnte der Verein auf der Wiener Straße im Erdgeschoß einer Villa auf rund 130 Quadratmetern eine neue Anlaufstelle für Obdach- und Mittellose eröffnen. Sie können hier an drei Tagen in der Woche kostenlos duschen, ihre Kleidung waschen und trocknen. Einmal im Monat steht sogar ein Friseur zur Verfügung. Es gibt gemütlich eingerichtete Aufenthaltsräume sowie eine Kleiderausgabe. Alles finanziert aus privaten Spenden.

Lob gibt es dafür nicht. „Aylbewerber werden ausgegrenzt“, beklagt die Dresdner Morgenpost, die damit der Stadt Dresden im Umkehrschluß unterstellt, es gebe in der Landeshauptstadt obdachlose Asylbewerber. „Umstrittener Verein öffnet Räume für Bedürftige“, titelte die Sächsische Zeitung. Und die Zeit hat bis heute keine Antwort auf die Frage ihrer Leser gefunden, ob Flüchtlingshilfeorganisationen auch rassistisch seien, weil sie deutsche Obdachlose von ihren Angeboten ausschließen.

Der Vereinsvorsitzende Ingolf Knajder sieht die permanenten Anfeindungen inzwischen gelassen: „Wer die Kapelle bezahlt, der bestimmt auch die Musik, die gespielt wird“, schreibt er auf der Facebook-Seite des Vereins: „Wir finanzieren uns ausschließlich aus privaten Spenden, und damit haben wir auch das Recht zu bestimmen, wem und wo wir helfen.“ Ziel des Vereins sei es, Obdachlosen und Bedürftigen zu helfen, dabei spiele keine Rolle, „woher sie kommen“, und es sei „egal, welche Hautfarbe oder Religion sie haben“.

Wer sich aber in einem Asyl- oder Flüchtlingsverfahren befinde, so Knajder, sei in einem Asylbewerberheim oder in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und damit weder obdachlos noch bedürftig. Kritikern rät Knajder, selbst mit ihrem privaten Geld etwas Vergleichbares aufzubauen: „Es ist immer leicht, andere zu beschimpfen, wenn man selbst nichts macht oder nur mit fremden oder staatlichen Mitteln um sich wirft.“

Im Dresdner Rathaus hält man ein nicht aus Steuergeldern finanziertes Bürgerengagement für überflüssig: „Die vorhandene öffentliche und zivilgesellschaftliche Hilfsinfrastruktur deckt nach Ansicht des Sozialamtes den bestehenden Tagesbetreuungsbedarf“, teilte eine Rat-haussprecherin auf Anfrage der Sächsischen Zeitung mit. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der noch vor kurzem mit Blick auf die Bundestagswahlergebnisse in Dresden mehr Dialog mit den Bürgern anmahnte, ließ sich bei der Eröffnung der neuen Begegnungsstätte nicht blicken, schickte auch keinen Vertreter. Ungeachtet dessen wird am 12. Dezember das zweite vom Verein organisierte Weihnachtsessen für Obdachlose stattfinden.