© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Der Sprachfamilie auf der Spur
Franz Bopp verstarb vor 150 Jahren in Berlin: Die Entdeckung des Indogermanischen revolutionierte die Sprachforschung
Jürgen W. Schmidt

Die großen Namen der europäischen Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert wie die Gebrüder Grimm und Humboldt, Friedrich Rückert, August Wilhelm Schlegel, Karl Richard Lepsius und Antoine-Léonard de Chézy gehörten zu seinen Freunden und Briefpartnern. Alexander von Humboldt schrieb über den Sprachexperten Franz Bopp höchst anerkennend: „Das müssen Sie durch Bopp zu erfahren suchen, der weiß alles!“

Bereits als Schüler beschäftigte sich der am 14. September 1791 in Mainz als Sohn eines kurmainzischen Beamten geborene, später im bayerischen Aschaffenburg aufgewachsene Franz Bopp gern mit Sprachen. Neben Latein und Griechisch erlernte er Arabisch und Hebräisch und begab sich 1812 nach Paris, um am damals bedeutendsten europäischen Wissenschaftsstandort für die Erforschung orientalischer Sprachen zu studieren. Er vervollkommnete sich im Arabischen und erlernte das Persische und Armenische. Nahezu im Alleingang studierte Bopp die damals ins Blickfeld wissenschaftlicher Forschung geratende altindische Literatursprache Sanskrit. 

Als er sich tiefgründiger mit dem Sanskrit beschäftigte, für das es noch keine auf wissenschaftlicher Grundlage verfaßte Grammatik gab, stellte Bopp erstaunliche Ähnlichkeiten des Sanskrit mit höchst unterschiedlichen Sprachen fest. Egal ob es sich um das Lateinische und Griechische, die germanischen Sprachen oder aber das Persische und Armenische handelte, irgendwie schienen diese Sprachen grammatikalisch ähnlich aufgebaut zu sein. Folglich mußten bislang unbekannte Verwandtschaftsverhältnisse dieser Sprachen untereinander bestehen. Seine Auffassung begründete der 25jährige Gelehrte in seiner sogleich in Fachkreisen großes Aufsehen erregenden, 1816 in Frankfurt am Main erschienenen Erstlingsschrift „Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“. 

In Bayern nur mit spärlichen Stipendien der Bayerischen Akademie der Wissenschaften versehen, erwiesen sich seine Beziehungen zu den Gebrüdern Humboldt, die seine Sanskrit-Forschungen mit großem Interesse verfolgten, als nützlich. An der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin erhielt Franz Bopp 1821 zuerst eine außerordentliche Professur für orientalische Literatur- und Sprachwissenschaft, welche 1826 zu einer ordentlichen Professur umgewandelt wurde. In Berlin stellte Franz Bopp später fest, daß auch slawische und baltische Sprachen zu jenen „indoeuropäischen Sprachen“ gehörten. 

Damit hatte Franz Bopp sowohl die vergleichende Sprachwissenschaft als neue Wissenschaftsdisziplin begründet, wie auch nachhaltig auf die Verwandtschaftsverhältnisse der heute als „indogermanische Sprachgruppe“ bekannten Sprachfamilie aufmerksam gemacht. Diese Sprachfamilie ist die größte der Welt und wird aktuell von drei Milliarden Menschen gesprochen. Die Sprachgruppe, zu der auch ausgestorbene Sprachen wie etwa das Hethitische gehören, hatte sich vor etwa 5.000 Jahren aus einer im Raum nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres gesprochenen indogermanischen „Ursprache“ herausgebildet. 

Neben den Erkenntnissen der Archäologie und neuerdings der genetischen Forschung spielen sprachgeschichtliche Forschungen für die Vorgeschichtlicher eine erhebliche Rolle, um Völkerwanderungen in einer Zeit ohne Schriftkultur nachzuvollziehen. Dabei bedeutet sprachliche Verwandtschaft keineswegs genetische Verwandtschaft bestimmter Völker, wie man fälschlich im Dritten Reich annahm, wo man eine ganz enge Beziehung der germanischen Völker zum indoarischen Sprach- und Kulturraum postulierte. 

Franz Bopp war ein sehr vielseitiger Sprachforscher, der sich in späteren Jahren gar noch mit der Erforschung malaysisch-polynesischer Sprachen beschäftigte. Nach mehreren Schlaganfällen verstarb er am 23. Oktober 1867 in Berlin. Sein Grab auf dem evangelischen Friedhof in Berlin-Kreuzberg ist noch heute erhalten und hat den Status eines Berliner Ehrengrabes.