© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Umwelt
Postfaktische Hauptstadt
Volker Kempf

Das Amt für Bürgerservice von Freiburg im Breisgau vermeldet stolz: 32,5 Prozent der Erstwählerinnen votierten grün, 21,3 Prozent links, die AfD scheiterte in dieser Altersgruppe bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde. Seit 15 Jahren grün geführt, gefällt sich die Unistadt auch in der Rolle des Klimaretters. Schon 1996 unter SPD-Ägide wurde das Klimaschutzziel, den CO2-Ausstoß bis 2010 um 25 Prozent zu drosseln, beschlossen. Dafür wurde Freiburg sogar zur „Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010“ gekürt. Doch die rote Zielmarke wurde verfehlt. Selbst 2012 war der Ausstoß erst um 16 Prozent gegenüber 1992 geschrumpft. Welch ein Skandal, dachte sich da der Gemeinderat und erhöhte die grüne Zielmarke 2014 auf 50 Prozent bis 2030. Fahrradwegeausbau und den öffentlicher Personennahverkehr fördern, das schrieb sich auch die 2016 abgewählte grün-rote Landesregierung auf die Fahnen.

Mit Ernährungsumstellung und mehr Fahrradfahren soll es in die richtige Richtung gehen.

Für die ländlichen Regionen hieß das weniger Geld für das Straßennetz, aber dafür sollte die CO2-Bilanz in urbanen Räumen wenigstens stimmen. Aber weit gefehlt. Der Ruf nach Zuwanderung wurde erhört, die Stadt wuchs und wuchs: „Einwohnerzahl verdirbt Freiburg die Klimaziele“, titelte Badische Zeitung treffend. Die CO2-Emissionen sind zwar pro Kopf um 30 Prozent gesunken, aber mit der wachsenden Zahl an Köpfen verrechnet blieben nur 20 Prozent Ersparnis übrig. Da nützen nur höhere Ziele, um bis 2050 eine „klimaneutrale Stadt“ zu sein. Mit Ernährungsumstellung und noch mehr Fahrradfahren soll es in die richtige Richtung weitergehen. Die Windkraft ist nicht zu vergessen, ob es nun dem Schwarzwald-Tourismus paßt oder nicht. Wer sich Ziele setzt, muß dafür auch Opfer bringen. Die Masseneinwanderung soll ohne Obergrenze munter weitergehen. Vom Klima spricht dabei niemand mehr. Freiburg ist auch die Hauptstadt des postfaktischen Zeitalters.