© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Herr im eigenen Haus sein
Norditalien: Lombarden und Veneter stimmen für mehr fiskalische Autonomie / Anders als in Spanien billigt Rom beide regionalen Referenden
Marco F. Hermann

Für Luca Zaia, den Regionalpräsidenten Venetiens, war der Sonntag ein guter Tag. „Das hier ist der Big Bang der institutionellen Reformen. Die Menschen aus Venetien gewinnen, ihr Gemeinschaftssinn gewinnt, der Wille, Herr im eigenen Haus zu sein, gewinnt.“ 98 Prozent der Veneter hatten in einem Referendum für ein Autonomiestatut gestimmt. Mit 57 Prozent lag die Wahlbeteiligung über dem festgesetzten Quorum von 50 Prozent. Zaia verglich das Ergebnis mit dem Berliner Mauerfall.

Roberto Maroni, Zaias Amtskollege aus der Lombardei, konnte bei 95 Prozent Zustimmung auf einen ebenso erfolgreichen Wahlsonntag zurückblicken. Zwar gingen hier nur 38 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen, vor allem in der Millionenmetropole Mailand blieben viele Wähler zu Hause. Anders als in Venetien gibt es jedoch kein Quorum.

Zaia und Maroni gehören beide der Lega Nord an. Bereits im Parteinamen manifestiert sich der Programminhalt: die Autonomie Norditaliens. Noch in den 1990ern setzte sich die Lega für eine Sezession des reichen italienischen Nordens unter dem Namen „Padanien“ ein. Mittlerweile fordert sie eine gesamtstaatliche Reform, an deren Ende der Föderalismus stehen soll. Anders als die übrigen Regionalparteien Europas, die nur in ihrem Stammland antreten, betreibt die Lega Politik auf nationaler Ebene.

Separatistische Tendenzen keimen innerhalb der Lega nur noch in Venetien auf. Das dortige Parlament hat Venetisch zur Co-Amtssprache erhoben und die Veneter zur nationalen Minderheit erklärt. Auch das war ein Grund, warum die Veneter ihre Autonomieforderungen deutlicher bekräftigten als die Landsleute aus der Lombardei.

Das Hauptziel der Regionalisten bildet die fiskalische Autonomie. Aus Mailand fließen jährlich 54 Milliarden Euro nach Rom, aus Venedig 15,5 Milliarden. Der Nordosten Italiens ist wirtschaftliches und finanzielles Standbein der römischen Zentralregierung. Schon seit Jahrzehnten beklagt der Norden die Ausbeutung durch das „diebische Rom“ (Roma ladrona).

Anders als beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum in Spanien billigt Italien die beiden regionalen Autonomiereferenden. Die Ergebnisse sind jedoch rechtlich nicht bindend. Dem Charakter nach entsprechen sie daher Volksbefragungen. Für die Lega bedeutet das klare Votum hingegen einen Wählerauftrag. „Jetzt müssen die uns zuhören“, meint der Lombarde Maroni. Man besitze ein „historisches Mandat“.

Auch die Parteispitze feierte die Referenden als Erfolg.  „Besser hätte es nicht laufen können“, sagte Matteo Salvini, der Chef der Lega Nord, und fügte hinzu: „Das ist eine Lektion in Sachen Demokratie für ganz Europa.“ Für Salvini kommt das Votum zur rechten Zeit, gilt es doch als Signal für die Parlamentswahl im kommenden Frühjahr. In den Umfragen liegt Salvinis Partei vor Silvio Berlusconis Forza Italia. Berlusconi hofft immer noch auf die Kandidatenkür im rechten Lager, obwohl Salvinis Partei stärker ist. Salvini hat zudem die rechte Kleinpartei „Brüder Italiens“ auf seine Seite ziehen können.

Der Wahlmodus und die Kosten sorgten hingegen für Kritik an den Regionalregierungen. 23 Millionen Euro soll die Abstimmung allein in der Lombardei gekostet haben. Die neuen Wahlcomputer waren dabei nicht nur teuer, sondern sorgten für Schwierigkeiten bei der Wahl und der Auszählung.