© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Verfassungsgericht stoppt EZB-Anleihenkaufprogramm nicht
Willige Richter
Bruno Bandulet

Immer wieder dasselbe zu tun, auch wenn jeder neue Versuch erfolglos bleibt, macht keinen Spaß. Seit 2010 steckt der Euro in der Existenzkrise, seit 2010 werden der Maastrichter Vertrag und damit die Regeln der Währungsunion skrupellos gebrochen – und seitdem wurde der Gang nach Karlsruhe fast schon zur Routine. Peter Gauweiler, Joachim Starbatty, Karl Albrecht Schachtschneider, Dietrich Murswiek und mit ihnen die gesamte Elite der deutschen Euro-Gegner haben eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe nach der anderen eingelegt.

Und die Richter des Zweiten Senats haben jedesmal so entschieden, wie zu erwarten war. Sie lehnten Eilanträge ab, sie legten Verfahren zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor, und wenn sie in der Hauptsache urteilten, schreckten sie vorhersehbar davor zurück, dem Geldmagier Draghi und der Bundesregierung in die Parade zu fahren. Für den Zweiten Senat ging Macht vor Recht. Der deutsche Sparer und das deutsche Volk als demokratischer Souverän blieben schutzlos. So auch am 10. Oktober, als das Bundesverfassungsgericht eine Reihe von Eilanträgen gegen das Anleihekaufprogramm der EZB als unzulässig zurückwies.

Obwohl der EZB und den nationalen Notenbanken die Staatsfinanzierung und damit die Übernahme öffentlicher Schulden untersagt ist, werden sie bis Ende dieses Jahres Staatsanleihen und andere Papiere in einer Gesamtsumme von 2,28 Billionen Euro aufgekauft haben. Dabei haben sie sich selbst eine großzügige Obergrenze gesetzt: mehr als ein Drittel der Staatsschulden der einzelnen Euro-Länder sollen nicht in die Bilanzen des Eurosystems übernommen werden. Demnach müßte die Deutsche Bundesbank ihre Anleihekäufe ohnehin im Frühjahr 2018 einstellen. Ein halbes Jahr später wären die Obergrenzen auch in Frankreich, Spanien und Italien erreicht. Da trifft es sich gut, daß sich die willfährigen Richter in Karlsruhe Zeit gelassen haben. Ihr abschließendes Urteil wird am Schaden, der bereits angerichtet wurde, nichts mehr ändern.

Waren all die Verfassungsklagen sinnlos? Nein, denn Widerstand gegen die Herrschaft des Unrechts ist ein Wert an sich. Und: Auch wenn die Richter den Konflikt mit der Politik gescheut haben, so haben sie den beharrlichen Klägern doch zumindest teilweise und verklausuliert recht gegeben. Zuletzt im Juli, als Karlsruhe bei der Vorlage an den EuGH „gewichtige Gründe“ für die Vermutung sah, daß die EZB unzulässig Staatsschulden finanziere. Sollte sich Deutschland eines Tages gezwungen sehen, aus dem Euro auszuscheiden, kann auf solche Kommentare zurückgegriffen werden. Kein Geringerer als der schottische Wirtschaftnobelpreisträger James Mirrlees gab erst im August zu bedenken: „Vielleicht wäre es besser, wenn Deutschland die Eurozone verläßt.“ Aber dies wäre dann eine politische, keine richterliche Entscheidung.