© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Deutschland erklären, „was in Amerika passiert“
Radio: Mit KCRW bekommt Berlin einen neuen englischsprachigen Sender, der sich an Einwanderer richtet
Christian Schreiber

Ein bißchen Nostalgie kam auf, als in der vergangenen Woche in Berlin der US-Radiosender KCRW auf Sendung ging. Schließlich haben amerikanische Medien vor allem im Westen der Republik eine gewisse „Tradition“. 

John Kornblum, Mitgründer des englischsprachigen Radiosenders, hält allerdings wenig von einem wehmütigen Rückblick. Er ist der Auffassung, ein US-amerikanischer Sender in Berlin sei wichtig, um das Geschehen in Amerika verständlich zu machen. „Wir sind selbstbewußt genug zu meinen, daß ein amerikanischer Sender gerade zu diesem Zeitpunkt, wo die atlantische Welt in Aufruhr ist, besonders wichtig ist. Es geht nicht um Nostalgie, es geht um Zukunft.“ Kornblum ist ein langjähriger Diplomat, galt als enger Vertrauter des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und stieg während dessen Amtszeit in die Riege der Top-Außenpolitiker auf und war schließlich auch Botschafter in Deutschland. 

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel stellte Kornblum klar, daß das Programm des Senders durchaus auch politisch sei. Es richte sich an die neue „englischsprachige Community“ in der deutschen Hauptstadt. An die „Zehn-, wenn nicht Hunderttausende von jungen Leuten hier, die nicht Deutsch- und nicht Englisch-Muttersprachler sind, deren zweite Sprache aber Englisch ist“ und die „eben eine Heimat in Berlin suchen“. Eine eindeutige Positionierung lehne Kornblum aber ab: „Auf keinen Fall werden wir ein Anti-Trump-Sender sein. Wir wollen die amerikanische Realität darstellen, wir werden Sendungen haben, in denen Trump kritisiert wird, aber die politische Grundlinie unseres Programms ist: Wir sind überparteilich. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, in Deutschland zu verstehen, was in Amerika passiert.“

Dabei gilt der ehemalige Außenpolitiker durchaus als prominenter Kritiker des neuen US-Präsidenten, hielt in der Bundesrepublik mehrere Vorträge mit kritischem Inhalt. Zu den Finanziers des Senders zählen neben ehemaligen Diplomaten die deutsch-jüdische Immobilienfamilie Roth sowie die Familien-Investmentbanker Warburg. Dementsprechend dürfte die Ausrichtung des Senders eindeutig transatlantisch sein. 

Der US-Muttersender mit Sitz in Kalifornien positioniert sich bereits eindeutig in Sachen Innenpolitik. Jennifer Ferro, die Geschäftsführerin von KCRW attackiert via Twitter den US-Präsidenten häufig und vehement. Nun freut sie sich auf den Sprung über den großen Teich: „Berlin teilt den Geist von Los Angeles.“ Die Bundeshauptstadt sei ein „interessanter Anlaufpunkt, vor allem auch für politische Belange“.