© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Freiheit braucht eine nationale Bezugsgröße
Es gibt keine Moral jenseits des Rechts: Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider sieht nur den Nationalstaat als Garanten für Ordnung und Solidarität
Jost Bauch

Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider (77) hat bisher über dreißig rechtswissenschaftliche Bücher und über 200 Aufsätze veröffentlicht, darunter solche beachtlichen Werke wie „Verfassungsrecht der europäischen Union“, „Grenzen der Religionsfreiheit“, „Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre“. Jetzt hat er mit dem Opus „Die nationale Option“ ein weiteres Werk nachgelegt, das ohne Zweifel das Zeug hat, zu einem rechtswissenschaftlichen und politischen Klassiker zu werden. Das Besondere an Schachtschneider ist – und da hebt er sich massiv von seiner rechtswissenschaftlichen Kollegenwelt ab –, daß er seine Rechtslehre, die er auch im neuen Buch noch einmal klarlegt, philosophisch begründet und unterlegt.

Schachtschneider ist ein Kantianer durch und durch, und so werden seine Grundsätze der Rechtslehre kantianisch „abgeleitet“. Er entfaltet einen eigenen Begründungszusammenhang der Dogmatik und weist damit nach, daß nur in einer Republik, in der das Recht herrscht, die Menschen frei und würdevoll zusammenleben können. Um diese Freiheit als res publica res populi zu verwirklichen – und das ist die Kernaussage dieses Buches – ist ein Nationalstaat erforderlich, der das Recht materialisiert. 

Realisation von Recht ist im Weltstaat nicht möglich 

Ohne Nationalstaat ist die Durchsetzung von Recht nicht möglich – höchstens als Unrecht des Stärkeren –, und in einem supranationalen Großstaat wie der Europäischen Union oder gar in einem fiktionalen Weltstaat als Wunschphantasie der Globalisierungsfans ist die Realisation von Recht sowieso nicht möglich, weil ein solcher Staat derartige Demokratiedefizite aufweisen würde, daß höchstens eine Oligarchie oder schlimmer noch eine „Ochlokratie“ realisiert werden könnte.

Vor dem Hintergrund seiner kantianisch geprägten „normativistischen“ Rechtslehre setzt sich Schachtschneider mit den verschiedenen pathologisch und dekadent zu nennenden Ausprägungen des Zeitgeistes auseinander. So attackiert er vehement und völlig zu Recht die sogenannte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, die vermeintlich mit ihrer Willkommenskultur nach Gutmenschenart die Moral über das Recht gestellt hat, damit aber Rechtsbruch begangen hat, denn eine Moral jenseits des Rechts kann es schlechterdings nicht geben. „Es gibt keine Moralität gegen das Recht.“ Und mit Kant ruft Schachtschneider der Politiker-Kaste zu: „Wir brauchen moralische Politiker, nicht politische Moralisten.“ 

Schritt für Schritt in zwingender Beweisführung weist Schachtschneider nach, daß der zur Zeit erfolgende Austausch der Bevölkerung mit dem Grundgesetz nicht kompatibel ist. Allenfalls ein Referendum der deutschen Bevölkerung könnte Deutschland zu einem Einwanderungsland machen, allerdings würde ein solches Referendum auch auf den Rechtsvorbehalt stoßen, „weil ein jeder Deutscher ein Recht auf einen Staat hat, der ein Staat deutscher Identität ist“.

Hart geht Schachtschneider mit der Europäischen Union ins Gericht: Die EU als unitaristischer Bundesstaat sei zutiefst undemokratisch, denn der unionale Gesetzgeber sei nicht demokratisch legitimiert, er vertrete keine als Volk verfaßte Bürgerschaft und die Parlamentsabgeordneten würden nicht „gleichheitlich“ gewählt. Für Schachtschneider ist klar: „Das Demokratiedefizit der Europäischen Union ist nicht behebbar.“ 

Dabei hat die Union sich mittlerweile voll dem wirtschaftspolitischen Globalismus als dem „unechten Freihandel“ hingegeben. Dieser vollzieht sich zu Lasten der Souveränität der Völker, da die international agierenden Unternehmen sich der republikanischen Kontrolle der Einzelstaaten entziehen. Schachtschneider votiert für eine „marktwirtschaftliche Sozialwirtschaft“ und konfrontiert dieses Modell in überzeugender Weise mit den destruktiven ökonomischen Effekten der „globalen Kapitalverkehrsfreiheit“. Auch hier zeige sich: Ein funktionierender Nationalstaat ist unverzichtbar! „Nur in homogenen, hinreichend kleinen Einheiten können eine Solidarität, eine Loyalität, eine Zugehörigkeit und ein Zusammenhalt bestehen.“ Nur der Nationalstaat läßt zu, daß der Mensch in Freiheit ein Bürger, ein Citoyen, sein kann. Das Buch gibt in großartiger Weise Zeugnis davon.

Karl Albrecht Schachtschneider: Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers. Kopp-Verlag, Rottenburg 2017, gebunden, 459 Seiten, 22,95 Euro