© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Frisch gepresst

Kulturträger. Das Schweigen der politisch-medialen Klasse signalisierte unlängst wohl Zustimmung zur Provokation einer SPD-Politikerin türkischer Herkunft, wonach jenseits unserer Sprache eine „spezifisch deutsche Kultur schlicht nicht identifizierbar“ sei. Ob wieder „Licht in diese Finsternis“ der „Totalnegation deutscher Kultur“ dringen wird, wie der Heidelberger Heidegger-Exeget Silvio Vietta fragt (FAZ vom 4. Oktober), darf für das heute politisch aktive Personal bezweifelt werden. Zweifel, denen das neueste kulturhistorische Werk Jost Hermands reichlich Nahrung gibt. Der unablässig produzierende Literaturwissenschaftler beleuchtet, einsetzend mit der germanischen Sippengesellschaft, die Trägerschichten der deutschen Kultur, wobei der Schwerpunkt dort liegt, wo der 87jährige Emeritus mit Dutzenden Monographien am besten ausgewiesen ist: auf dem Feld der Geschichte zwischen Kaiserreich und Berliner Republik. Wie immer, setzt Hermand dezidiert linke Akzente und bedient Narrative der Frankfurter Schule von der manipulativen Funktion der Bewußtseinsindustrie zwecks Herrschaftssicherung. Neu und unorthodox ist der Aspekt, daß Manipulation und Entmündigung der „Vielen“ durch „multikulturelle Bereicherung“ forciert werden, da sie die Internationalisierung des Kulturmarkts und den Ausbau einer „Konsumgesellschaft ohne ideelle Ansprüche“ erleichterten. Gerade die Westdeutschen sind dabei schon weit fortgeschritten: 42 Prozent von ihnen gaben 2009 an, keine Bücher mehr zu lesen. (dg)

Jost Hermand: Die Wenigen und die Vielen. Trägerschichten deutscher Kultur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Böhlau Verlag, Köln 2017, gebunden, 346 Seiten, Abbildungen, 34,99 Euro





Gauland. Als Alexander Gauland 2002 seine mahnende „Anleitung zum Konservativsein“ publizierte, war das etablierte CDU-Mitglied noch Herausgeber der Märkischen Allgemeinen in Potsdam, und seine Parteichefin begann in der Opposition gerade damit, die Union zu „modernisieren“ – dabei immerhin noch eine „geregelte Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung“ einfordernd. Die Lektüre seines um ein Nachwort erweiterten Werkes führt jetzt erhellend vor Augen, daß der heutige AfD-Bundestagsfraktionschef seinen Standort im politischen Koordinatensystem anders als die sozialdemokratisch radikalisierte Merkel-CDU gar nicht so sehr verändert hat. (bä)

Alexander Gauland: Anleitung zum Konservativsein. Zur Geschichte eines Wortes. Landt Verlag, Berlin 2017, broschiert, 138 Seiten, 16 Euro