© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Fast alle in den USA wollen eine umfassende Steuerreform
Totgesagte leben länger
Thomas Kirchner

Schon Barack Obama beklagte die hohen US-Unternehmenssteuern und vielen Schlupflöcher, die das System – wie in Deutschland – hochkompliziert machen. Außer rhetorischen Meisterstücken tat sich in seiner Regierungszeit aber nichts. Die Erwartungshaltung ist daher heute niedrig. Nach dem Hickhack mit der Reform von Obamas schwindsüchtiger Krankenversicherung befürchten viele das gleiche Schicksal für Donald Trumps Steuerreform. Tatsächlich gibt es hierbei aber Fortschritte: In Senat und Repräsentantenhaus wurden Haushaltszusätze verabschiedet, durch die schuldenfinanzierte Steuersenkungen möglich würden – und das ohne von den Demokraten blockiert zu werden.

Doch nicht nur Schulden werden die Reformen finanzieren, sondern vor allem Subventionsabbau. Die Verhandlungen laufen noch. Es zeichnen sich einige Eckpunkte ab: Die besonders von Pharma- und Internetfirmen in Europa steuerfrei gebunkerten Gewinne sollen zwangsweise rückgeführt und mit einer niedrigen Abgeltungssteuer belegt werden. Ironisch ist, daß auch Steuererhöhungen die Steuersenkungen finanzieren könnten, denn ausgerechnet einige Republikaner möchten den Spitzensteuersatz für Privatpersonen erhöhen. Bei mittleren Einkommen, wo das meiste politische Kapital zu holen ist, gibt es aber nur wenig Spielraum für Steuersenkungen.

Eine landesweite Mehrwertsteuer gibt es in den USA nicht, und so zahlt der Durchschnittsverdiener an Washington kaum Steuern, wogegen die oberen zehn Prozent der Einkommen die Hälfte der Steuern aufbringen. Trotzdem konzentriert sich die mediale Debatte auf die Mitte, die leiden würde, sollte die bisher übliche Verrechnung von Bundes- mit lokalen Steuern beendet werden. 1,3 Bilionen könnten dadurch über zehn Jahre in die Kassen kommen, was fast den gesamten Kosten der Reform entspräche.

Finanzminister Steven Mnuchin hofft auf Finanzierung durch Wachstum. Langfristig wird dies wohl funktionieren, doch die Erfahrung zeigt, daß solche Wachstumseffekte Zeit brauchen. Vorbild sind die beiden großen Steuerreformen von John F. Kennedy und Ronald Reagan, die sich positiv auf Investititionen und Wachstum ausgewirkt haben. Steuerreformen sind kein amerikanisches Phänomen, auch im Rest der Welt wird fleißig gesenkt.

Österreich, Frankreich und Tschechien wollen ihr Steuersystem reformieren. Hongkong halbiert die Steuern für kleine und mittlere Unternehmen von 16,5 auf 8,25 Prozent. Australien strebt 20 bis 25 statt bisher 30 Prozent an. Selbst Israels Premier Benjamin Netanjahu soll Mnuchin bei dessen Jerusalembesuch vergangene Woche nach Details der US-Steuerreform gefragt haben. Der internationale Steuerdruck wird der amerikanischen Politik letztlich keine Wahl lassen, als die Steuersätze nach unten anzupassen. Während die Medien über Trumps Twittersprüche spotten, gewinnt die Reform an Fahrt.