© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Pleiten, Pech und … Positives
Ein Jahr Trump: Bereits drei Tage nach Amtsantritt setzte der US-Präsident erste Duftmarken
Thorsten Brückner

Das Fazit von Trumps im August geschaßten Chefberater Steve Bannon war eindeutig: „Die Trump-Präsidentschaft, für die wir gekämpft haben, ist vorbei.“ In der Tat ist der personelle Verschleiß im ersten Jahr der Trump-Regierung hoch. Auf über 15 Positionen hat es seit Trumps Amtsantritt am 20. Januar 2017 personelle Veränderungen gegeben. 

Gleich zu Beginn stolperte der Nationale Sicherheitsberater Mike Flynn über mögliche Rußland-Kontakte und eine damit verbundene Lüge. Er war ganze 24 Tage im Amt und damit der Nationale Sicherheitsberater mit der kürzesten Amtszeit, seit die Position 1953 geschaffen wurde. Auch auf einer weiteren zentralen Position trennte sich Trump von einem Getreuen aus Wahlkampfzeiten. 

Nach nur 189 Tagen mußte Reince Priebus das Weiße Haus verlassen – der am kürzesten amtierende Stabschef in der Geschichte des Landes. Auf sieben Tage weniger brachte es Pressesprecher Sean Spicer. Nach 182 Tagen war für ihn Schluß, nachdem ihm Trump mit Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci – ein Intimfeind von Priebus – einen PR-Mann vor die Nase gesetzt hatte. 

Zumindest konnte sich Spicer damit trösten, daß auch Scaramucci, noch bevor Spicers Umzugskartons bei ihm zu Hause angekommen waren, ebenfalls seinen Hut nehmen mußte. Wie werde ich ihn los – in zehn Tagen, Trump Style. 

Der wohl einschneidendste Personalwechsel war die Berufung von Heimatschutzminister John Kelly zum Stabschef als Nachfolger von Priebus. Der Irak-Veteran steht für eine Stärkung des neokonservativen interventionsfreudigen Flügels der Administration, der nach dem Abgang von Bannon und Sebastian Gorka endgültig die Oberhand in der Regierung bekommen hat. Das machen Beobachter auch an einer weiteren Personalie fest. Dina Powell, eine enge Vertraute von Trumps Tochter Ivanka, ist zur stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberaterin unter H.R. McMaster aufgestiegen. Die gebürtige ägyptische Koptin gehört zu den wenigen in der Administration, die schon für die Bush-Regierung gearbeitet haben.





Oberster Gerichtshof  

Als die bisher größte Errungenschaft von Trumps Amtszeit bewerten Konservative die Ernennung von Neil Gorsuch zum Richter am Obersten Gerichtshof. Damit ist die ursprüngliche Balance zwischen konservativen und linksliberalen Richtern, die nach dem Tod von Antonin Scalia in Schieflage geraten war, wiederhergestellt. Von den anderen acht Richtern sind zwei über 80, ein weiterer erreicht dieses Alter im kommenden Jahr. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß Trump eine weitere Möglichkeit erhält, einen Richterposten neu zu besetzen. Die Konservativen sehen in dem Gericht das letzte Bollwerk zur Verteidigung amerikanischer Werte wie  dem Recht auf Waffenbesitz. Außerdem erhoffen sie sich durch einen weiteren konservativen Richter eine Revision der liberalen Abtreibungsgesetzgebung. 





Infrastruktur

200 Milliarden Dollar hat Trump angekündigt, in den nächsten zehn Jahren in die marode Infrastruktur des Landes zu stecken und damit Brücken, Straßen und Tunnel zu sanieren. Einher gehen die Finanzmittel mit einer klaren Deregulierungsinitiative für die schnellere Bewilligung von Projekten wie dem Bau von Autobahnen. Bisher dauerte es sieben Jahre vom Antrag zum Baubeginn. Nun soll die Zeit auf zwei Jahre verkürzt werden. Darüber hinaus ist unklar, wie Trump private Investoren für Infrastrukturprojekte gewinnen will. Für die vagen Ankündigungen kommt bereits Kritik von den Demokraten: „Präsident Trumps Wahlversprechen zur Infrastruktur brechen schneller zusammen als unsere Straßen und Brücken“, sagte der Minderheitenführer im Senat, Chuck Schumer. 





Steuern

Nach der Schmach bei der mißlungenen Abschaffung von „Oba-macare“ soll die größte Steuerreform seit Ronald Reagan das große Projekt Trumps vor den Zwischenwahlen 2018 werden. Die bisherigen Progressionsstufen sollen in Zukunft einem Drei-Stufen-Steuersatz weichen. Der Spitzensteuersatz soll demnach von 36,9 auf 35 Prozent fallen, der Eingangssteuersatz von zehn auf zwölf Prozent steigen. Die Unternehmenssteuer wird dem neunseitigen Papier zufolge von 35 auf 20 Prozent gesenkt. Im Wahlkampf hatte Trump noch eine Senkung auf 15 Prozent in Aussicht gestellt. Kritiker fürchten einen Einnahmenverlust für den Staat von zwei Billionen Dollar in der kommenden Dekade als Folge des Plans. 




Gesundheit

Die Folgen von Obamas Gesundheitsreform spüren die Amerikaner im Geldbeutel. Um 34 Prozent werden die Kosten für die Versicherungsprämien im kommenden Jahr durchschnittlich steigen – nach einer Steigerung um 49 Prozent seit 2014. Nicht zuletzt deswegen war die Abschaffung von Obamacare eines der zentralen Wahlkampfversprechen Trumps. Gescheitert ist er dabei vorläufig am Kongreß – und an den eigenen Leuten. Insgesamt 13 republikanische Senatoren votierten bei  mindestens einer der fünf Abstimmungen mit „Nein“. Statt auf die dünne republikaniche Mehrheit im Senat setzt Trump deswegen jetzt auf die Macht seines Kugelschreibers: Mit einem Exekutiverlaß versuchte er in diesem Monat den Wettbewerb im Gesundheitssektor zu stärken.  





Klima / Umweltpolitik

Gegen den Widerstand seines Außenministers Rex Tillerson und seiner Tochter Ivanka hat der Präsident den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erklärt. Er sei aber bereit, einem neuen Abkommen beizutreten, das fairer gegenüber der amerikanischen Wirtschaft sei. Trump sieht in dem Abkommen eine Benachteiligung der USA gegenüber Ländern wie China, die deutlich mehr CO2 emittieren dürfen als westliche Länder.  2,7 Millionen Arbeitsplätze sah Trump durch den Vertrag gefährdet. Scharfe Kritik zog auch sein „America First Energy Plan“ nach sich. Darin spricht sich Trump für die Erschließung heimischer Öl- und Gasreserven  aus, aber auch für eine Rückkehr zur Kohle. Statt Klimaschutz soll sich die Umweltbehörde EPA nun vorrangig um Luft- und Gewässerschutz kümmern. 





Internationaler Handel

Bereits drei Tage nach Amtsantritt setzte Trump eine erste Duftmarke für den internationalen Handel. Wie im Wahlkampf angekündigt, zog er die USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) zurück – ein Freihandelsabkommen mit Ländern wie Australien, Neuseeland und Chile, aber auch Peru, das sein Vorgänger Barack Obama ausgehandelt hatte. Einen anderen Weg geht Trump beim Nafta-Abkommen, das der Präsident im Wahlkampf den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ genannt hat und das er für die Abwanderung amerikanischer Jobs nach Mexiko verantwortlich macht. Derzeit verhandeln Vertreter der drei Unterzeichnerstaaten (neben den USA und  Mexiko ist das Kanada) über eine Neuausrichtung. Trumps Ziel: das Außenhandelsdefizit gegenüber Mexiko reduzieren. 





Jobs

Kaum ein Wahlversprechen Trumps war so ambitioniert wie seine Ankündigung, 25 Millionen neue Jobs in den nächsten zehn Jahren zu schaffen. Dafür hält er ein jährliches Wirtschaftswachstum von vier Prozent für nötig. 2017 waren es 2,2 Prozent. Die Voraussetzungen für Trump sind günstig. Die Arbeitslosenrate ist mit 4,2 Prozent so niedrig wie seit der Rezession 2008 nicht mehr. Seit der nach eigener Aussage „größte Jobproduzent, den Gott je geschaffen hat“, im Januar das Ruder übernahm, sind über eine Million neuer Jobs entstanden. Im September war der Trend jedoch erstmals rückläufig mit einem Minus von 33.000 Jobs – der erste Rückgang in einem September seit sieben Jahren. Ein Grund dafür könnten die Hurrikans Harvey (Texas) and Irma (Florida) sein.





Außenpolitik

Im Wahlkampf hatte Trump gegen unnötige Militärinterventionen gewettert und ging scharf mit der Bush-Administration ins Gericht. Den Irak-Krieg bezeichnete er als Desaster. Von seiner interventionskritischen Agenda ist kaum noch etwas übriggeblieben. Der Präsident umgibt sich in seinem engsten Beraterstab mit neokonservativen Falken. Anfang April ließ er nach einem angeblichen Giftgasangriff des syrischen Präsidenten Assad auf Zivilisten eine syrische Militärbasis bombardieren. Sein Versprechen, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, hat er nicht realisiert, „um dem Frieden eine Chance zu geben“. Für Aufsehen sorgte zuletzt der Austritt aus der Unesco. Als Grund gab die US-Regierung unter anderem die antiisraelische Ausrichtung der Organisation an.





Internationale Sicherheit / Verteidigung

„Obsolet“ sei die Nato, hatte Trump im Wahlkampf wiederholt betont. Davon wollte der neue Präsident schon kurz nach Amtsantritt nichts mehr wissen. Stattdessen forderte er eine fairere Lastenverteilung. Alle Staaten im Nordatlantischen Verteidigungsbündnis sollen wie vereinbart zwei Prozent ihres BIPs für Verteidigung ausgeben. Baustellen für die US-Sicherheitspolitik sind derzeit Syrien, der Iran und Nordkorea. Trump droht Nordkorea unverhohlen mit Krieg. Anders als im Wahlkampf versprochen, kündigte er auf Zuraten seines Außenministers Rex Tillerson das Abkommen mit dem Iran („eine Peinlichkeit für Amerika“) nicht auf.





Mauer / Innere Sicherheit

Bisher blieb es bei der Wiederholung von Wahlkampfversprechen – wenn auch mit ersten Einschränkungen. Man brauche ja keine Mauer an der gesamten Südgrenze, schließlich gebe es dort auch natürliche Barrieren, sagte Trump vor Anhängern im September in Alabama. Derzeit ist nur ein Drittel der rund 3.000 Kilometer langen Grenze durch Zäune gesichert. Noch hat Trump vom Kongreß aber kein Geld für das geschätzt 21 Milliarden Dollar teure Projekt erhalten. Aber auch ohne Mauer gibt es Fortschritte: Verglichen mit dem Vorjahr unter Obama ging die illegale Einwanderung um 46 Prozent zurück. Auch Abschiebungen funktionieren schneller: Richter haben von Februar bis Juli fast 50.000 Abschiebescheide ausgestellt. Ein Anstieg um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.