© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Ein falscher Knochen
Ausstellung: Mit der Nachbildung eines Brachiosaurus-Gebeins ärgern zwei Künstler das Berliner Naturkundemuseum
Richard Stoltz

Mit einer Kopie der weltberühmten Nofrete-Büste narrten sie einst die Kunstwelt, kürzlich nun haben Jan Nikolai Nelles und Nora al Badri erneut zugeschlagen. Die beiden „multidisziplinären Künstler“ bildeten mit Hilfe eines 3D-Scans einen Beinknochen des im Berliner Museum für Naturkunde aufgestellten riesigen Brachiosaurus-Skelettes nach. Die Kopie stellen sie derzeit in der Berliner Galerie Nome noch bis zum 11. November aus. Mit der Aktion wollen sie dagegen protestieren, daß der Brachiosaurus in Berlin besichtigt wird, obwohl er doch nach Afrika gehöre, nämlich in die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika, das heutige Tansania.

Das Projekt ist Teil jener schon seit längerem laufenden Kampagne gegen europäische, vor allem deutsche Kulturkundemuseen, die angeblich „Raubkunst“ aus der Kolonialzeit ausstellten, deren Objekte – statt hierzulande etwa im geplanten Humboldtforum im Berliner Schloß vorgezeigt zu werden – allesamt nach Afrika zurückgegeben werden müßten, um dem dortigen Nationalstolz und Identitätsbewußtsein zu dienen.

Jetzt hat es also auch die Naturkundemuseen wie das berühmte Haus in der Berliner Invalidenstraße erwischt. Das Mindeste, was zunächst getan werden müßte, tobte der Aktivist Jan Nikolai Nelles im Interview, sei ein Austausch der Kommentierungstafel zum Brachiosaurus. Bisher gebe es nur eine kleine Karte von Afrika, mit einem roten Punkt an der Stelle, wo die Knochen ausgegraben wurden. Das sei ein Skandal.

Tatsächlich jedoch, kommentierte den „Knochenklau“ selbst die linksalternative taz, „gibt es im Naturkundemuseum eine ganze Vitrine mit 28 Bildern, die die afrikanischen Arbeiter bei den Grabungen zeigen. Und in den begleitenden Texttafeln werden die historischen Umstände der Expedition kurz umrissen.“ Aber wen kümmern schon Tatsachen, wenn es um den Kampf gegen Kolonialismus und Rassismus geht.

Zu Zeiten des Brachiosaurus lebten übrigens noch keine Menschen, weder in Afrika noch in Europa. Doch wahrscheinlich hätte sich sogar das Riesentier sehr darüber gewundert, was man Millionen Jahre später mit seinen Knochen alles anstellen würde.