© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Das Ende der weißen Riesen
Mit dem Rückzug von 123 weißen Söldnern aus dem Kongo endete vor fünfzig Jahren auch ein Mythos
Paul Leonhard

Die Flucht von 123 weißen Söldnern und 950 schwarzen Katanga-Gendarmen sowie 1.500 Frauen und Kindern nach Ruanda beendet am 6. November 1967 nicht nur die Söldnerrebellion in der Demokratischen Republik Kongo, sondern begräbt auch einen Mythos: den vom unbesiegbaren weißen Mann.

Der Kongo, das zweitgrößte Flächenland Afrikas, ist bald nach dem überstürzten Rückzug der belgischen Kolonialherren im Chaos versunken. Nach der Unabhängigkeit 1960 beginnt Ministerpräsident Patrice Lumumba (1925–1961) mit der Verstaatlichung ausländischer Konzerne, die daraufhin seinen Sturz betreiben. Die besonders betroffene Union Minière du Haut Katanga, die größte belgische Minengesellschaft, ermuntert mit Moïse Tschombé, einen ihrer Mitarbeiter, am 11. Juli 1960 die Unabhängigkeit der an Bodenschätzen reichen Provinz Katanga auszurufen und sich zum Präsidenten zu erklären. 

Die Vereinten Nationen, die ein Auseinanderbrechen des Kongos und mehr noch ein nicht mehr steuerbares Chaos von Staatsgründungen und Kriegen in Afrika befürchten, stellen eine eigene Truppe auf, um Katanga wieder einzugliedern. Dieser stellt sich Tschombé mit einer Söldnertruppe aus Franzosen, Belgiern und Südafrikanern entgegen, finanziert von der Minengesellschaft. Zwei Jahre können sie sich gegen die UN-Streitkräfte behaupten.

Als Tschombé aufgeben muß, ist der restliche Kongo im Chaos versunken. Lumumba war bereits 1961 ermordet worden. Die Nachfolger konnten sich jeweils nur wenige Monate im Amt halten. Aus UN-Sicht ist nun Tschombé das kleinere Übel. Er wird aus dem Exil zurückgeholt, aber schon nach 15 Monaten, im November 1965, von Mobuto gestürzt. Dieser übernimmt die etwa 1.500 weißen Söldner des Präsidenten. 

Zu diesen gehörte übrigens nicht der in Deutschland berühmt-berüchtigte Söldner Siegfried Müller, durch die breite Medienberichterstattung (Stern, FAZ, oder Quick) als „Kongo-Müller“ bekannt. Dieser zog sich bereits im Mai 1965 nach Scharmützeln im Südosten des Landes nach Südafrika zurück. Ohnehin spielte das gegen die Simba-Rebellion tätige Kommando, in dem Müller diente, nur eine randständige Rolle im kongolesischen Söldnerkrieg. 

Hauptgegner der nun unter Mobuto kämpfenden Söldner sind jetzt die von der Sowjetunion und kubanischen Kommandos unterstützten kommunistischen Aufständischen. Den Söldnern unter Robert Denard gelingt es, die Lage zu stabilisieren. Zum Bruch der Söldner mit ihrem Dienstherren Mobutu kommt es, als Ex-Präsident Tschombé am 30. Juni 1967 von den Balearen nach Algerien entführt wird.

In Stanleyville (Kisangani) meutern daraufhin Söldner unter Führung des 37jährigen Obristen Jean Schramme. Ihr Ziel ist die Freilassung Tschombés und die Zahlung ausstehenden Solds. Daraufhin schickt die Zentralregierung mit logistischer Unterstützung der USA die Nationalarmee, woraufhin sich die Söldner sich in den Urwald zurückziehen. Sechs Wochen später tauchen sie überraschend in der 100.000-Einwohner-Stadt Bukavu am Kivu-See im Südosten des Landes wieder auf. Schrammes geflüchtete „Groupe Léopard“ besetzt Stadt und Umland.

Zu diesem Zeitpunkt fühlt sich Schramme stark genug, das eroberte Gebiet „bis in alle Ewigkeit“ zu halten und droht Mobutu mit einem Angriff auf die Hauptstadt Kinshasa, falls dieser nicht in Friedensverhandlungen einwillige. Der damalige Stern-Kriegsreporter Randy Braumann berichtet in seinen Erinnerungen, er habe Schramme geraten, die Unabhängigkeit zu erklären, einen eigenen Staat zu gründen und eine Gegenregierung auszurufen. Braumanns französischer Fotografenkollege Paul Ribeaud, der ebenfalls für die Hamburger Illustrierte vor Ort war, habe ihm dann im Beisein Schrammes und seiner Offiziere die Verfassung der Söldnerrepublik im Hotel „Résidence Royal“ in die Reisemaschine diktiert. Als Vorlage diente die Unabhängigkeitserklärung der gegen den französischen Präsidenten Charles de Gaulle im April 1962 putschenden Militärs. Als Teilnehmer am Aufstand und Algerienfranzose kannte Ribeaud diese auswendig.

Zum Präsidenten des „Gouvernement du Salut Publique de Bukavu“ wird Oberst Léonard Monga ernannt, ein schwarzer Offizier. Am 9. August 1967 wird die Proklamation über Radio Bukavu ausgestrahlt. Plötzlich interessiert sich die ganze Welt für das „Söldnerparadies“. Ziel sei es, den Bürgerkrieg im Kongo durch Absetzung des Staatspräsidenten Mobutu zu beenden, schrieb die Welt.

Mobuto setzt derweil 15.000 Mann, die Hälfte seiner Armee, gegen die rund 140 Söldner in Marsch. Miami-Kubaner bombardieren die eingeschlossene Stadt, während den Eingekesselten allmählich die Munition ausgeht. Als Schramme die Nachricht erhält, daß es Denard nicht geschafft hat, von Portugiesisch-Angola eine zweite Front aufzubauen, ist ihm klar, daß sein Traum, den von ihm kontrollierten Teil des Kongos mit dem weißen Süden Afrikas zu verbinden, nicht realisierbar ist. 

Braumann, der den Rückzug mitmachte, schwärmt in seinen Erinnerungen von den „Südafrikanern, die mit einer unglaublichen Hingabe und Begeisterung für die Verteidigung der weißen Männer in Afrika kämpften“. Es sei aber auch das „Ende der weißen Riesen“ gewesen, der für „die Kongolesen bis dahin für unüberwindbar geltenden weißen Söldner mit ihrer überlegenen Waffentechnik“.