© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/17 / 10. November 2017

Aufgeschnappt
Dem Ungeist entfliehen
Matthias Bäkermann

Im Berliner Bezirk Mitte sieht man dem grauen Klotz des Rathauses Tiergarten seine Vergangenheit an: Nach den Plänen des Stadtbaudirektors Richard Ermisch wurde Mitte der dreißiger Jahre der fünfgeschossige Verwaltungsbau in der typischen Formensprache der NS-Architektur errichtet. 

Am 8. November zieht nun das Bezirksmuseum Moabit dort ein, und zwar direkt ins Bürgermeisterzimmer. Grund dafür war der freiwillige Umzug des Bezirksbürgermeisters Stephan von Dassel (Die Grünen) aus seinem repräsentativen, 45 Quadratmeter großen Büro, der es dort einfach nicht mehr aushalten konnte: „In einem denkmalgeschützten Büro aus der NS-Zeit will ich nicht arbeiten“, begründete der historisch sensible 50jährige Anfang November gegenüber dem Boulevardblatt B.Z. seinen Schritt. Anders als seine 13 Amtsvorgänger nach 1945 störte von Dassel die Aura inmitten der braunen Naturholzvertäfelung, die unentwegt den Ungeist Hitlers verströmt. Diese zu beseitigen kam aus Gründen des Denkmalschutzes nicht in Frage. „Ich hätte die dunklen Wände und Möbel nur mit Tüchern verhängen dürfen“, klagt der Verwaltungschef, „das wäre aber kein Dauerzustand.“ Deshalb beschloß er kurzerhand, in ein halb so großes Büro innerhalb des Gebäudes umzuziehen.