© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/17 / 10. November 2017

Facebook will „Fernsehen“ machen
Streamingdienste: Mehrere Anbieter mischen das Geschäft mit Online-Serien auf
Christian Schreiber

Online-Videodienste haben in den vergangenen Jahren Milliarden-Gewinne eingefahren und die klassischen Fernsehsender enorm unter Druck gesetzt. Netflix wurde zum Marktführer. Diese Position soll verteidigt werden, während Apple und Facebook gleichzeitig einen Großangriff planen. Facebook wolle bis zu drei Millionen Dollar pro Serienfolge ausgeben, berichtete das Wall Street Journal bereits im Juni. Mit dem Budget könnte der Konzern in einer Liga mit sehr hochwertigen TV-Produktionen spielen. Das soziale Netzwerk habe vor allem die Altersgruppe der 17- bis 30jährigen im Visier. Die Inhalte würden von Werbevideos begleitet werden. 

Zuckerberg will mit Zuschauern interagieren

Den Start hat der US-Internetriese bislang aber bereits mehrfach nach hinten geschoben. Offenbar auch, weil es intern verschiedene Auffassungen über die Art des Angebotes gibt. Hieß es zunächst, Facebook wolle sich auf kleinere Produktionen und Videos konzentrieren, um Google’s Youtube Konkurrenz zu machen, soll nun wohl doch in großem Umfang agiert werden. Facebook verfolgt seit längerem eine Strategie, seinen Nutzern hochqualitative Video-Inhalte anzubieten. Zuletzt bezahlte es Medienfirmen mit Millionenbeträgen, damit diese Produktionen im Rahmen von Facebooks Live-Funktionen senden. 

Denn das Konsumverhalten der TV-Nutzer hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Streamingdienste, die gegen Gebühr Serien und Filme anbieten, konnten sich mehr und mehr Marktanteile erobern (JF 8/17). Netflix ist mittlerweile börsennotiert und in 190 Ländern buchbar. Immer mehr Kunden in den USA kündigen ihren Kabelanschluß und beziehen ihre TV-Unterhaltung über das Internet. 

Facebook will allerdings keine reine Netflix-Kopie werden, sondern andere Schwerpunkte setzen. Die Projektverantwortlichen wollten keine politischen Dramen, Nachrichtensendungen oder Serien mit Nacktheit und schmutziger Sprache, schreiben US-Medien. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat kürzlich erklärt, es gehe darum, mit dem Zuschauer zu interagieren. Es sei nicht im Sinne seines Unternehmens, Shows zu produzieren, an denen der Konsument nur passiv teilnehme. In diversen Fachmagazinen wird darüber spekuliert, ob Zuckerberg ein neues Geschäftsmodell auftun will, um an Nutzerdaten zu gelangen. Bereits durch die Live-Videos sind die Werbeeinnahmen in die Höhe geschossen. Über die Inhalte der geplanten Serien schweigt sich Zuckerberg noch aus, amerikanische Szene-Kenner berichten aber, bei der ersten Produktion soll es sich um eine Dating-Show handeln, die bereits sendefertig vorliege. 

Die Branche ist dementsprechend in heller Aufruhr und die Konkurrenz reagiert: Während das Traditionshaus Disney erst kürzlich einen Online-Videodienst für 2019 ankündigte, ist der beliebte Bezahlsender HBO von Time Warner in den USA schon seit 2015 mit Eigenproduktionen wie „Game of Thrones“ als Internet-Abo verfügbar. Hinzu kommen neue Anbieter, die sich auf bestimmte Nischen konzentrieren. So erweiterte pünktlich zu „Halloween“ der Horror-Streamingdienst Shudder seine Reichweite in Deutschland und Österreich auf Smartphones, Spielekonsolen und Amazon’s Fire TV.

Apple plant, eine Milliarde Dollar zu investieren

Ganz auf mobile Endgeräte setzt Snapchat. Für sein zusammen mit NBC Universal gegründetes Studio konnte der Mitteilungsdienst jüngst Jay und Mark Duplass für die Produktion von fiktionalen Inhalten verpflichten. Die Brüder gelten als Spezialisten für innovative Formate mit vergleichsweise kleinen Budgets und arbeiteten zuvor für HBO und Netflix.

Auch der Suchmaschinen-Marktführer Google rüstet seit einiger Zeit seine Video-Plattform Youtube funktionell auf. Bei diesem „Elefanten-Rennen“ der medialen Schwergewichte darf Apple natürlich nicht fehlen. Wie das Wall Street Journal berichtet, soll Steven Spielberg mit seiner Produktionsfirma Amblin Television eine Neuauflage der Science-fiction-Serie „Unglaubliche Geschichten“ aus den achtziger Jahren drehen. Waren deutsche Medien zuletzt skeptisch und erklärten, Spielbergs große Zeit sei schon lange vorbei, legte der Mobilfunk-Hersteller nun nach. 

Apple konnte zudem den Serien-Experten Morgan Wandell von einem Wechsel überzeugen, der zuletzt für Amazon tätig und für Serien wie „The Man in the High Castle“ verantwortlich war. Davor war er bei ABC und mit Produktionen wie „Desperate Housewives“ und „Gray‘s Anatomy“ beschäftigt. Mittlerweile wird auch über die Größe des Investment spekuliert. Apple wolle laut amerikanischen Medien insgesamt eine Milliarde US-Dollar in exklusive Inhalte investieren. Darunter Serien im Kaliber von „Game of Thrones“, Filme und Dokumentationen. Apple selbst hält sich noch bedeckt. Man prüfe neue Geschäftsmodelle, „an einem Verdrängungskampf“ sei man aber nicht interessiert.