© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Innovation der Woche
Chillige Nacht, heilige Nacht
Christian Vollradt


Der Legende nach soll ein preußischer König seinen Hofprediger einst angewiesen haben, er dürfe über alles predigen – nur nicht über zehn Minuten. Preußen und seine Monarchie sind (zumindest vorübergehend) verschwunden, die Maßgabe des Regenten von damals scheint jedoch aktueller denn je. „Wir erleichtern es Menschen, am Gottesdienst teilzunehmen, wenn er kürzer ist“, riet der Religionssoziologe Detlef Pollack auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Länger als 50 oder 60 Minuten dürfe das Ganze nicht dauern. Der Vize-Präses der Synode Klaus Eberl brachte eine „Mitgliedschaft light“ ins Spiel, eine Art Kirche auf Probe. Um der „Individualisierung, Schnellebigkeit, Mobilität, Pluralität und Unverbindlichkeit“ junger Menschen gerecht zu werden, schlug der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm indes vor, „mit Lichteffekten und Band bis zu einer Lounge mit ‘Singer & Songwriter’“ die Kirchen attraktiver zu machen. Richtig verwegen klingt dagegen ein inhaltlicher Rat, den der externe Experte Pollack dem in Bonn tagenden Kirchenparlament noch mit auf den Weg gab: „Müßte Kirche nicht manchmal mutiger sein und vom Mainstream des allgemeinen Gutmenschentums abweichen?“