© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Einseitigkeit ist keine Lösung“
Christian Vollradt

Mit ihrem gemeinsamen Auftritt vor der Hauptstadtpresse wollen die zwei ehemaligen Bundestagspräsidenten dem Projekt ganz offensichtlich mehr Nachdruck verleihen. Rita Süssmuth (CDU) und Wolfgang Thierse (SPD) sind die prominentesten Unterstützer des Aufrufs an den Bundestag und „die deutsche Öffentlichkeit“, ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs zu errichten. Das Nachbarland habe in besonderer Weise gelitten, indem es „erstes Ziel rassistischer Untermenschen-Ideologie der Nazis“ und schließlich auch Ort der industriellen Vernichtung der europäischen Juden war, so die Begründung.

Thierse erinnerte in diesem Zusammenhang an die Feststellung des verstorbenen früheren polnischen Außenministers Wladyslaw Bartoszewski, der den Deutschen bescheinigt habe, „auf erstaunliche Weise selbstkritisch“ mit ihrer Geschichte umzugehen; Polen sei dabei jedoch immer „ein blinder Fleck“ gewesen. „Diese Kritik haben wir ernst zu nehmen“, forderte der SPD-Politiker.

Als Standort für das Denkmal ist der Askanische Platz vorgesehen, gegenüber dem künftigen Dokumentationszentrum der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus (JF 47/15). So würden Krieg, Vernichtung, Flucht und Vertreibung „in den untrennbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung“ gestellt werden. Zudem könnte dadurch auch der Streit um das in Polen immer noch argwöhnisch betrachtete Zentrum beendet werden, sind die Initiatoren des Denkmals überzeugt. 

Beim Bund der Vertriebenen (BdV)sieht man das skeptisch. „Einseitigkeit ist keine Lösung“, konstatierte BdV-Präsident Bernd Fabritius. Genau die aber stelle er bedauerlicherweise zunehmend auf polnischer Seite fest. Der Verband sehe es gerne, wenn im Gegenzug in Polen ein Denkmal für die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung errichtet werde, meinte Fabritius. Auch die AfD steht der Sache kritisch gegenüber. Der polnischen Opfer des Nationalsozialismus werde „bereits ausreichend und angemessen anderweitig gedacht“, sagte der stellvertretende Fraktionschef im Bundestag, Peter Felser, den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“. Angesichts der anhaltenden Reparationsforderungen in Polen sei die Denkmal-Initiative lediglich ein emotionales Ablenkungsmanöver und der Versuch, das „angeschlagene Verhältnis Polens zu Deutschland und der EU zu kitten“, kritisierte der AfD-Politiker. 

Laut Medienberichten hatten jedoch auch einige um Unterstützung gebetene Historiker an dem Vorhaben moniert, daß mit der Fokussierung auf Polen einer „Re-Nationalisierung“ der Gedenkpolitik Vorschub geleistet werde. Bei der Vorstellung des Aufrufs am Mittwoch in Berlin betonte Thierse mit Blick auf den neuen Bundestag, man richte sich „auch gegen Versuche, die deutsche Geschichte, die Geschichte der Wehrmacht und unsere Erinnerungskultur zu bereinigen und zu beschönigen von einer bestimmten Partei“. Ein solcher Revisionismus dürfe nicht zugelassen werden.