© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Nicht ob, sondern wann
Chaos in der CSU: Nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen ist die Frage nach der Zukunft von Parteichef Horst Seehofer wieder auf der Tagesordnung
Paul Rosen

Als völlig chaotisch ist die Situation in der CSU in diesen Tagen recht schmeichelhaft beschrieben. Aber die Stürme werden sich legen, der Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer wird gehen. Es schlägt die Stunde der Stoiberianer. 

Zur Einschätzung der heutigen Lage ist ein Blick zurück nach 2007, als CSU-Urgestein Edmund Stoiber gestürzt wurde, unerläßlich. Damals wurde mit Unterstützung der Stoiber-Getreuen das Duo Günther Beckstein und Erwin Huber installiert, um Seehofer, der selbst von Nichtgegnern bestenfalls als Hallodri bezeichnet wurde, zu verhindern. Die Operation ging schief, Beckstein und Huber vergeigten die folgende Landtagswahl. Seehofer übernahm kampflos Ministerpräsidentenamt und Parteivorsitz. 

Die Stoiber-Anhänger mußten sich nach dem Ende ihres Meisters um- orientieren – zu Seehofer, der zunächst auch Erfolg zu haben schien. So wurde Alexander Dobrindt, von Stoiber im heimatlichen Bezirk Oberbayern schon früh als Talent entdeckt und gefördert, 2009 Generalsekretär für Seehofer. Andreas Scheuer, der in Stoibers Wahlkampfteam war, folgte Dobrindt, als dieser Verkehrsminister in Berlin wurde. 

Am wenigsten fügte sich Stoibers ehemaliger Generalsekretär Markus Söder der neuen Macht. Er bekam folglich zunächst nur einen Platz am Katzentisch des bayerischen Kabinetts (Europaminister), wurde aber als CSU-Bezirksvorsitzender in Nürnberg so stark, daß Seehofer ihm später das Finanzministerium nicht verweigern konnte. 

Aigners Vorstoß endet als Rohrkrepierer

Diese Stoiberianer drängen nun zur Macht. Sie halten nach dem Seehofer zugeschriebenen Mißerfolg bei der Bundestagswahl mit nur noch 38,5 Prozent nicht nur die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl 2018 für gefährdet, sondern den Fortbestand der CSU als Volkspartei insgesamt. Sowohl Söder als auch Dobrindt und Scheuer sind Konservative; den „Herz-Jesu-Sozialismus“ des bei Norbert Blüm in die Schule gegangenen Seehofer haben sie nie geschätzt. Sie würden aber Seehofers letzten Auftrag, den rechten Flügel stark zu machen, erfüllen, etwa in der Kombination Dobrindt als Landesgruppen- und Parteivorsitzender (wie weiland Theo Waigel) und Söder als Ministerpräsident. Mit den Stoiberianern verbindet sich die Hoffnung, ein weiteres Anwachsen der AfD im Freistaat zu verhindern. Das macht sie stark wie nie in der CSU. Außerdem wäre in der Kombination Söder und Dobrindt der wichtige regionale Proporz zwischen Franken und Altbayern gewahrt. 

Als Rohrkrepierer endete ein Vorstoß von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die eine Aufstellung des Ministerpräsidenten-Kandidaten durch die Parteimitglieder empfahl – in der Hoffnung, dabei selbst die meisten Stimmen zu bekommen. Ihr Pech: Den Vorstoß unternahm sie einen Tag vor dem Scheitern von Jamaika.  

Seehofer versucht derweil noch, Honig aus dem Scheitern von Jamaika zu saugen, indem er alle Verantwortung beim FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ablädt und behauptet, eine Einigung sei „zum Greifen nahe“ gewesen. Ob ihm das für den CSU-Parteitag Mitte Dezember nutzt oder schadet, ist schwer vorauszusagen. Andererseits ist es auch unerheblich, da es in der CSU kaum noch jemanden gibt, der Seehofer einen Wahlsieg zutraut. Die Junge Union sprach es schon offen aus (JF 46/17). Es geht schon längst nicht mehr darum, ob Seehofer geht, sondern nur darum, wann er geht.