© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Knapp daneben
Verschwendung von Lebenszeit
Karl Heinzen

Hin und wieder schlägt Thomas Ebeling gerne einmal Krawall. Als Chef der Mediengruppe ProSiebenSat.1 scheint er damit der richtige Mann zu sein. Er paßt zum Image seiner Schmuddelsender. Leider wird seine Leistung aber nicht nur an den Entgleisungen gemessen, mit denen er von sich reden macht. Die Anteilseigner haben die unangenehme Eigenart, auch auf die Zahlen zu schauen, und diese machen keinen guten Eindruck. In den vergangenen vier Monaten brach der Aktienkurs um 30 Prozent ein, die Anleger wurden dadurch um zwei Milliarden Euro ärmer. Schon vor einem Jahr hat Ebeling laut darüber nachgedacht, daß er vielleicht zu alt sei, um ein Medienunternehmen zu führen. Das Sinnieren darüber hat nun ein Ende. Nach einer viel kritisierten Rüpelattacke, wird er die Firma im Februar 2018 verlassen 

Für den Chef einer Sendergruppe, die von Werbeeinnahmen lebt, ist dies nicht empfehlenswert. 

In einer Analystenkonferenz wurde Ebeling danach gefragt, wie man sich denn die Zuschauer seiner Sender vorzustellen habe. Die Antwort fiel erfrischend plakativ aus: „Sie sind Menschen, ein bißchen fettleibig und ein bißchen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen“. Hätte dies der Intendant einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt von sich gegeben, wäre er vielleicht von der Heinrich-Böll-Stiftung für die Aufrichtigkeit ausgezeichnet worden, mit der er dem deutschen Pöbel die Wahrheit ins Gesicht sagte. Für den Chef einer Sendergruppe, die von Werbeeinnahmen und damit Einschaltquoten lebt, ist dies nicht empfehlenswert. In der Sache kann ihm jedoch niemand widersprechen. Wer kostbare Lebenszeit damit verplempert, vor der Glotze zu sitzen, ist bedauernswert. „Hartzern“ mag man dies nachsehen, denn die Alternative, sich den ganzen Tag lang zu betrinken, übersteigt ihr Budget. Menschen, die von sich glauben, mit beiden Beinen im Leben zu stehen, kann man dies aber nicht durchgehen lassen. In Beruf, Ausbildung oder Ehrenamt stellen sie doch genug unter Beweis, daß sie einen Platz in der Gesellschaft haben. Ist ihre Persönlichkeit so schwach, daß sie nicht einmal ihre Freizeit selbstbestimmt gestalten können?