© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Rückkehr zu den Werten Europas
Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten: Auszug aus der Dankesrede von Sabatina James
Sabatina James

Viele kennen mich aufgrund meiner Lebensgeschichte. Darin geht es um Glauben, Liebe und um die Konflikte, die entstehen, wenn man im Westen aufwächst, aber so leben muß, wie es die islamische Tradition von einer Frau verlangt. Ich bin 1982 in Pakistan geboren, einem Land, in dem die Regeln der Scharia omnipräsent sind. Mohammeds Lebensweise gilt als vorbildlich, und damit sind die minderen Rechte für Frauen und Andersgläubige sowie Gewalt nicht ausgenommen. In meinem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, gab es keinen einzigen Nichtmuslim. Zumindest habe ich nie einen angetroffen. 

Fünfmal am Tag hörte man die Stimme des Muezzins über die Minarette erschallen. Oft war es sogar die Stimme meines eigenen Großvaters, der als Imam der Moschee vorstand. Die fünfmalige Sich-Unterwerfung unter Allah wurde von niemandem in Frage gestellt. Es gab aber auch andere Stimmen, die erschallten und an die ich mich gewöhnen mußte – die Schreie meiner Nachbarin zum Beispiel, die laut um Hilfe schrie, als ihr Mann sie brutal mißhandelte. Gewalt an Frauen ist Alltag in Pakistan. Über 80 Prozent sind laut Human Rights Watch davon betroffen. Nirgendwo auf der Welt werden mehr Frauen im Namen der Ehre hingerichtet als hier. Man hat sich irgendwie daran gewöhnt. Nicht selten wird der Geburtstag eines Mädchens als Grund zur Trauer betrachtet und Sprüche wie „Das Mädchen ist eine Last auf den Schultern des Vaters, bis sie verheiratet ist“, hört man schon im Kindesalter. 

Daran wollte ich mich nicht gewöhnen, und so flüchtete ich in eine andere Welt. Sie war wie ein Paradies voller Reichtümer, die Menschen aßen dort seltsame und unaussprechliche Früchte wie Äpfel und Kirschen. Und auf der Suche nach einem besseren Leben hatte mein Vater dieses Paradies bereits betreten. Man nannte es Österreich. Alle zwei Jahre kam uns also Papa von Österreich aus in Pakistan besuchen und blieb für einige Wochen. Er versprach uns immer, daß er uns irgendwann mitnehmen werde. 1992 war es dann soweit, meine gesamte Familie, also meine zwei Brüder, meine Schwester, meine Mutter und ich, folgte unserem Vater nach Österreich und ließen uns im Herzen des Mühlviertels in einem kleinen Dorf namens Sarleinsbach nieder. Was mir sofort auffiel, war, wieviel Ordnung überall war. Und dann habe ich mich gefragt, warum haben wir in Pakistan diese Ordnung nicht? Also jedes Haus und jeder Garten war individuell schön gestaltet, eine ungemeine Vielfalt. Die Kirche stand im Zentrum des Dorfes und ließ ihre Glocken lieblich läuten. Und dann habe ich mir gedacht, in der islamischen Welt hörte man ja über die christliche Welt: Die Bordelle sind voll, die Kirchen sind leer, den Menschen ist nichts mehr heilig. Als ich in Sarleinsbach ankam, habe ich etwas anderes erlebt. 

Zu Beginn des Unterrichts standen alle Schüler auf, schauten auf einen leidenden Mann am Kreuz und beteten das Vaterunser. Diese authentisch heilige Atmosphäre hat mich tief beeindruckt, und das selbstverständliche Selbstbewußtsein dabei hat mir imponiert. Niemand kam auf den Gedanken, seinen eigenen Glauben in Frage zu stellen, nur weil ein muslimisches Mädchen dazugekommen war. Meine liebe Lehrerin lud mich ganz selbstverständlich ein, am Gang der Klasse in die Kirche mit teilzunehmen. Und auch den Prinz Eugen hat sie im Unterricht nicht ausgelassen, wie er die gewaltsamen Angriffe des Islam auf das christliche Europa abgewehrt hat. Also irgendwie war sie, glaube ich, wahnsinnig stolz darauf. Der Priester in der Kirche hielt keine politischen Reden, sondern er erzählte von dem Mann am Kreuz. (...) 

Niemand in dieser Kirche oder in diesem Dorf sah mich als unrein an, weil ich Muslimin war. In meiner Heimat sahen wir die Nichtmuslime sehr wohl als unrein an und haben sie gehaßt, ohne sie überhaupt zu kennen. Das war der wahre Rassismus. Wieviel anders wurden wir hier aufgenommen. In Sarleinsbach waren nicht die Vorschriften und Strafen omnipräsent, sondern der Mann am Kreuz. Sarleinsbach kannte keinen Rassismus, keine Geschlechterapartheid und keine schreienden Frauen. (...)

Ich habe in diesem kleinen Dorf schnell gelernt, daß der Reichtum Europas nicht in finanziellem Wohlstand liegt, wie ich es oft gedacht hatte, sondern in der Freiheit – in der Freiheit der christlichen Kultur. Die christliche Gesellschaft, die ich damals angetroffen habe, war durchaus pluralistisch. Andere durften dabei sein, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, die Mehrheit den Minderheiten anzupassen. 

Früher gab es ja auch den Begriff des Pluralismus, unterschiedliche Sichtweisen sollten also in der einen demokratischen Gesellschaft nebeneinander Platz haben. Dann wurde der Begriff abgelöst von der multikulturellen Gesellschaft. Dabei geht es nicht mehr um die Aufnahme fremder Völker und Kulturen, sondern es geht um etwas, wofür die pluralistische Demokratie nicht ausreicht: um das Nebeneinander der demokratischen Kultur mit undemokratischen Kulturen. Ein Aufschrei entsteht, wenn man die Kultur der Gleichheit aller Menschen als besser darstellt. Wenn aber die Kultur der Ungleichheit genauso gut ist, haben wir die Menschenrechte über Bord geworfen. Genau das sehen wir gerade. Wann immer die islamische Kultur auftaucht, ihr Geld und ihre Gewalt in den Ring schmeißt, haben die Rechte aller anderen zurückzustehen. Viele linke türkische, iranische, pakistanische Intellektuelle hatten auf Demokratisierung durch die Hilfe Europas gehofft und beklagen, daß das nicht passiert. Im Gegenteil, Europa wird selbst islamisiert, und man setzt dem nichts entgegen. 

So werden gerade die Linken der islamischen Welt zu Kronzeugen gegen linke Politik in Europa. Ehrlich an Frauenrechten interessierte Musliminnen beklagen, daß die Solidarität nicht sie kriegen, sondern ihre Gegner. Genauso geht es jenen, die vom Islam zum Christentum konvertieren. Sie werden nicht mit offenen Armen aufgenommen, sondern eher als Störfaktor betrachtet. Für den Dialog mit dem antidemokratischen Islam, der gar kein Dialog sein kann, solange die christlichen Konvertiten ausgegrenzt bleiben. Das liegt nicht nur an radikalen Salafisten, an jenen, die meine Veranstaltungen stören, sondern auch an den islamischen Organisationen, die sich bis heute nicht von der islamischen Menschenrechtserklärung der islamischen Staatengemeinschaft distanziert haben, wonach Frauen, Juden, Christen, Atheisten usw. keine rechtlich gleichwertigen Menschen seien. 

Das Privileg aller Rechte ist nämlich nur muslimischen Männern vorbehalten. Das alles ist nur möglich durch das Schweigen der Tonangebenden in Medien und Politik. Es ist ein Schweigen, das zur Komplizenschaft führt, wo die Opfer nicht verteidigt und die Täter nicht benannt werden. Über Islamismus wird in der Schule nicht aufgeklärt, und in der Politik wird er nicht bekämpft. Wie oft habe ich es selber erlebt, daß mir bei Vorträgen an Universitäten und Schulen untersagt wurde, den Islam zu kritisieren.

 Gleichzeitig wurde man zur Kritik am Christentum schon fast angespornt. Da fragt man sich: Welche Agenda verfolgt unser Bildungssystem? Wird unsere Jugend etwa durch einen Haufen kultureller Marxisten ideologisch geformt? Oder sind unsere Bildungsanstalten vielleicht einfach nur käuflich durch arabisches Geld? Wie die vielen international führenden Elite-

universitäten auch. (…) Man muß auch hier hinterfragen, unter welchen Bedingungen soviel Geld an westliche Bildungsanstalten weitergegeben wurde. Vor allem, wenn das Geld aus Diktaturen und undemokratischen Ländern stammt. (...)

Unabhängig davon, ob der einzelne sich als Christ ansieht, sind aber die christlichen Wurzeln für unsere Kultur unverzichtbar. Das wird gerade in der Auseinandersetzung mit dem Islam sehr deutlich. Das Tragische dabei ist, daß viele derjenigen Geistlichen, die in führender Position die christlichen Fundamente verbreiten und verteidigen sollten, dieses nicht tun, statt dessen lieber politische Ideologien nach vorne stellen. Wenn dieses dann von der kirchlichen Basis oder einfachen Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte kritisiert wird, dann werden diese Leute auch noch angegangen und zwar von jenen Geistlichen, die lieber Politiker sind und sich eher in elitären als in christlichen Kreisen bewegen wollen. 

Das Europa, das ich damals kennengelernt habe, zerfällt vor meinen Augen. Europa ist heute wie der verlorene Sohn, der das Erbe des Vaters nimmt, damit abhaut und es verschwendet. Erst als alles aufgebraucht ist und er gezwungen wird, sein Mahl mit dem der Schweine zu teilen, wird er einsichtig und kehrt zum Vater zurück. Ich hoffe, daß auch wir diese Einsicht haben und zurückkehren zu dem Glauben, den Werten und der Liebe, die einst die Fundamente Europas legten und es stark machten.

 Die gesamte Dankesrede von Sabatina James sehen Sie bei JF-TV: www.jf.de/tv