© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Grüße aus Bern
Legendäre Langsamkeit
Frank Liebermann

Als bekennender Zugfahrer steige ich nur sehr selten in mein Auto. Warum auch? Der Personennahverkehr in Bern und im Rest der Schweiz ist vorbildlich. Die Züge sind fast immer pünktlich, die Sauberkeit beispielhaft, und auch die Sicherheit ist im internationalen Vergleich sehr hoch. 

Hin und wieder muß ich mich aber doch an Orte begeben, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln eher schlecht zu erreichen sind. Einer ist der Drive-in-Schalter von McDonalds. Als ich das letzte Mal auf dem Weg dorthin war, hat es auch mich erwischt.

 Auf einer geraden und übersichtlichen Straße fuhr ich gemütlich entlang. Es war schon dunkel. Als ich ein rotes Licht sah, wußte ich sofort, jetzt bin ich dran. Wenige Meter entfernt gab mir ein uniformierter Polizist in neongelber Warnweste mit seiner leuchtenden Kelle zu verstehen, daß ich auf den Parkplatz einzubiegen habe. 

Schließlich bin ich als Fahrer eines Smarts aufgrund technischer Daten kein Raser.

Nach Kontrolle des Führerscheins wurde ich auch auf mein Delikt hingewiesen: überhöhte Geschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Nach Abzug der Toleranz hatte ich die Höchstgeschwindigkeit um zwei Stundenkilometer überschritten. Als Strafe war dafür ein Bußgeld von 40 Franken fällig. 

Dabei bin ich vergleichsweise milde davongekommen. Innerorts sind ab sechs Stundenkilometer zu schnell 120, ab 11 km/h 250 Franken fällig. Eine Überschreitung von fünfzehn Stundenkilometern gibt sehr schnell eine Anzeige und Geldstrafen in Höhe eines halben Monatslohns. Bei noch höherem Tempo deutlich mehr. Der Führerschein ist auch schnell weg, da reicht schon eine Überschreitung von 20 Stundenkilometern.

 In der Schweiz ist eben alles etwas teurer. Allerdings ist auch zu beachten, daß die Schweiz innerhalb von Europa das viertsicherste Land bezüglich der Verkehrstoten ist. Nur in Schweden, Dänemark und Großbritannien verunfallen weniger Menschen. 

Die hohen Strafen scheinen abzuschrecken. Obwohl während der Kontrolle ab und zu ein Auto verbeifuhr, blieb ich der einzige Sünder. Soviel zur legendären Berner Langsamkeit. Mit der Flexibilität hatten es die Polizisten allerdings nicht so. Schließlich bin ich als Fahrer eines Smarts aufgrund technischer Daten eher kein Raser. Auf meinen netten Hinweis, zwei Stundenkilometer zuviel sei doch nicht weiter schlimm, konterte der Polizist eher lässig: „Wenn wir wollten, daß Sie 52 Stundenkilometer fahren, hätten wir 52 auf das Verkehrsschild geschrieben.“