© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Separatisten sind sich nicht grün
Ostukraine: Umsturz in der international nicht anerkannten selbsternannten „Volksrepublik Lugansk“ / Moskau bestätigt erstmals Putins Engagement
Thomas Fasbender

Nach Monaten kommt wieder Bewegung in die Berichterstattung über den ukrainischen Bürgerkrieg. Fünf gefallene Regierungssoldaten meldete das Kiewer Verteidigungsministerium für den 23. November, vier davon als Opfer eines achtstündigen Feuergefechts 30 Kilometer westlich von Lugansk, der Hauptstadt der selbsterklärten „Volksrepublik“ gleichen Namens in der Ostukraine. 

Am selben Tag verkündete der Lugansker Minister für Staatssicherheit, Leonid Pasetschnik, den Rücktritt von Republikchef Igor Plotnizki „aus Gesundheitsgründen“. Zugleich bezeichnete Pasetschnik sich als Nachfolger bis zu den für 2018 angesetzten Wahlen. Der bisherige Amtsinhaber, so Pasetschnik weiter, werde die „Volksrepublik“ auch künftig als Repräsentant bei den Minsker Verhandlungen vertreten.

Vorangegangen waren monatelange Rivalitäten an der Spitze der Rebellenrepublik. Die kulminierten am 21. November mit der Entlassung von Innenminister Igor Kornet. Damit hatte Plotnizki, dessen Verhältnis zu den Sicherheitsorganen schon länger als angespannt galt, den Fehdehandschuh geworfen. 

Stunden später rollten Dutzende Ural-Lkws aus russischer Fertigung über die Grenze der benachbarten „Volksrepublik Donezk“ in Richtung Lugansk. Sie transportierten Truppen ohne Hoheitsabzeichen, die sofort Teile der Lugansker Innenstadt hermetisch abriegelten. Am Abend patrouillierten Panzerfahrzeuge im Stadtzentrum. Das lokale Fernsehen wurde abgeschaltet, die Menschen wurden aufgefordert, am kommenden Tag nicht zur Arbeit zu gehen.

Nach einer im russischen Internet verbreiteten Version gehörten die Grünuniformierten zur Donezker Eliteeinheit „Vitjas“. Der entlassene Innenminister versprach derweil eine Untersuchung angeblich krimineller Machenschaften diverser Plotnizki-Vertrauter.

 Der Konflikt zwischen dem alten Republikchef und seinen Kollegen im Sicherheitsapparat schwelte seit längerem. Den neuen starken Mann und bisherigen Minister für Staatssicherheit hatte er schon im Jahr 2015 vorübergehend entlassen. Bekannt war auch das Zerwürfnis zwischen Plotnizki und Kornet; die ukrainische Presse berichtet seit langem darüber. Als Plotnizki im August 2016 bei einem Mordanschlag schwer verletzt worden war, beschuldigte er seine Gegner im Sicherheitsapparat der Tat. 

Leiten US-Rußland-Kontakte neue Ära ein?

Kenner der Lage halten die Lugansker Krise im Kern für hausgemacht. Moskaus Rolle in den Angelegenheiten der zwei „Volksrepubliken“ wird mit der eines Schiedsrichters verglichen, der sich hütet, bei jedem Rempler zu pfeifen. Nach dem Rausschmiß des Lugansker Innenministers war es dann aber doch soweit. Einen Tag bevor Plotnizkis Rücktritt bekannt wurde, erschien auf Youtube ein Video, das ihn angeblich bei der Ankunft auf einem Moskauer Flughafen zeigt.

Ein weiterer Zusammenhang verdient Beachtung. In der serbischen Hauptstadt Belgrad traf genau eine Woche vor dem Umsturz in Lugansk der US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, sein Gegenüber auf der russischen Seite, den Putin-Berater für die Ukraine, Wladislaw Surkow. Es war das dritte oder vierte Zusammentreffen der beiden seit August – immer auf neutralem Boden. Angeblich weigert Volker sich, Surkow in Moskau zu treffen, und Surkow darf aufgrund der Sanktionen nicht in die USA oder die EU.

Zwei Tage nach dem Belgrader Treffen telefonierte Wladimir Putin mit den Republikchefs in Donezk und Lugansk. Es war das erste Mal, daß ein Gespräch des russischen Präsidenten mit den Führern der Aufständischen offiziell bestätigt wurde. Putins Engagement gilt vielen Beobachtern als Indiz, daß der Kreml nach dem erfolgreichen Comeback in Syrien eine strategische Annäherung von Russen und US-Amerikanern in der Ukraine für realistisch hält.