© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Die Verteidigung des Eigenen als Karriererisiko
Der Brite Douglas Murray legt eine tiefschürfende Außenansicht auf den migrationsversessenen Hippiestaat Deutschland vor
Michael Dienstbier

An einer der spannendsten Stellen seines aktuellen Buches berichtet der britische Publizist Douglas Murray über ein Gespräch mit einem Minister des derzeitigen Kabinetts Merkel, welcher prophezeit, daß es in Zukunft wohl nötig sein werde, die eigenen Werte, die eigene Lebensweise wieder mit der Waffe in der Hand zu verteidigen und auch notfalls dazu bereit zu sein, Menschen im Kampf zu töten. Ob es ihm denn erlaubt sei, den Minister zu zitieren, wollte Murray wissen. Die Antwort kam prompt: Natürlich nicht!

Nicht minder aufschlußreich ist sein Gespräch mit einem – namentlich nicht genannten – Intellektuellen in Berlin, der zu Protokoll gibt, daß es nur gerecht sei, das deutsche Volk durch fremde Völker zu ersetzen („replace“), da wir nun einmal alle vorurteilsgetriebene Antisemiten seien. Neben einer Analyse, wie ungezügelte Migration nach Europa zu einem Lieblingsprojekt der politisch-medialen Eliten werden konnte, bietet das Buch nicht zuletzt auch eine tiefschürfende Außenansicht der bundesrepublikanischen Mentalität zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in der das offene Bekenntnis zur Verteidigung des Eigenen zu einem Karriererisiko für Politiker geworden zu sein scheint.

Multikulti gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit

Was wir in den vergangenen zwei Jahren verschärft bei uns in Deutschland erlebt haben – eine stetig zunehmende Ausländerkriminalität verbunden mit dem Versuch der Vertuschung durch Behörden und Medien (Kölner Domplatte) –, gehört in Großbritannien seit Jahrzehnten zum Alltag. So berichtet Murray vom Skandal im mittelenglischen Rotherham, in dem zwischen 1997 und 2013 rund 1.400 junge Mädchen von Pakistanern vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden sind. Nahezu sämtliche lokalen Entscheidungsträger wußten Bescheid, doch keiner setzte dem Treiben ein Ende. Begründung: Angst vor dem Vorwurf der Islamophobie. 

Auch die 1989 gegen Salman Rushdie verhängte Fatwa läßt Murray Revue passieren und kommt zu dem besorgniserregenden Fazit, daß ein Roman wie „Die Satanischen Verse“ heute überhaupt nicht mehr veröffentlicht werden würde, weil jeder weiß, was droht: ein brüllender Mob auf der Straße, schäumende Islamverbände und die Vertreter der Zivilgesellschaft, die zwar den Wert der Meinungsfreiheit betonen, aber im selben Atemzug zur Mäßigung aufrufen, um die religiösen Befindlichkeiten der Muslime nicht zu beleidigen. Von den Brandanschlägen auf die Verlagshäuser und Mordanschläge auf die Übersetzer des Buches – so geschehen in Italien und Japan – einmal ganz zu schweigen.

Murray beschreibt, wie sich in den nord-, mittel- und westeuropäischen Ländern seit den sechziger Jahren ein migrationsfreundlicher Kurs durchgesetzt hat, der Zuwanderung abwechselnd als moralische Verpflichtung, kulturelle Bereicherung oder ökonomische Notwendigkeit beworben hat und weiterhin bewirbt. Vorangetrieben von einer globalistischen Elite und gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit, wird jede Kritik an offenen Grenzen und Zuwanderung im veröffentlichten Diskurs diffamiert und sanktioniert. 

In Deutschland ist das exemplarisch am Umgang mit der AfD zu beobachten. Alles werde getan, um die Partei als antisemitisch zu brandmarken, doch vielsagendes Schweigen breite sich aus, wenn Palästinenser durch Städte wie Dortmund, Essen und Frankfurt ziehen und „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ skandieren. Und wenn ein Neuköllner Imam fordert, jeden zionistischen Juden zu töten, dann scheine das für das multikulturell bewegte Establishment kein Antisemitismus, sondern lediglich ein nachgeordnetes Integrationsproblem zu sein, stellt Murray pointiert fest.

Murrays sorgfältig recherchiertes, in einer glänzenden Mischung aus subtilem britischen Humor und gerechtem Zorn geschriebenes Buch ist von den üblichen Verdächtigen heftig kritisiert worden. Der linksliberale Guardian und die New York Times verurteilten das Buch als dumpf, mit rassistischen Klischees spielend und islamophob. „The Strange Death of Europe“ ist nichts weniger als das Buch der Stunde, ein mit flammender Feder geschriebener Appell zur kulturellen Selbstverteidigung Europas gegen ein Denken, welches gar nicht mehr dazu in der Lage zu sein scheint, in Kategorien wie Heimat, Tradition und Selbstbehauptung zu denken.

Douglas Murray: The Strange Death of Europe. Bloomsbury Publishing, London 2017, broschiert, 343 Seiten, 12,99 Euro