© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Advent, Advent ...
Europaweit gibt es zahlreiche Traditionen in der Weihnachtszeit
Verena Rosenkranz

Morgen, Kinder, wird’s was geben“, tönt es in der Weihnachtszeit durch alle Kindergärten, Schulen und winterlich geschmückten Wohnzimmer des Landes. Für die braven Kinder wird es bestimmt auch etwas Erfreuliches wie etwa Nüsse, Orangen und Schokolade zum Nikolaustag am 6. Dezember geben. Wer allerdings nicht lieb, nett, brav und anständig war, der bekommt eher vom düsteren Begleiter des kirchlichen Heiligen etwas auf das Hinterteil oder wird im schlimmsten Fall gleich in dessen Sack gesteckt und mitgenommen. 

„Hauptfeind“ der meisten Riten ist das Böse

In den Alpen begleiten den alten Mann mit traditionell weißem Bart und rotem Mantel nämlich Krampusse. Fabelwesen, die es vom Heidentum bis in die Gegenwart geschafft haben und Kinder oder zum Teil auch Erwachsene in Angst und Schrecken versetzen. Mit Pelz bekleidete Männer tragen dabei kunstvoll geschnitzte Masken, die zu grauenhaften Fratzen verzogen sind, haben einen Kuhschweif als Peitsche mit und schwere Kuhglocken als Gürtel. Ganz und gar furchterregende Gestalten, die bei Umzügen vor allem im österreichischen Bundesland Salzburg aber auch im benachbarten Bayern den Hauch einer mystischen Welt vermitteln. Aufgrund des Gesamtgewichtes der Ausrüstung, das oftmals bei über 20 Kilo liegt, verbergen sich selten Frauengesichter hinter den kleinen Sehschlitzen. Der Brauch besagt aber auch, daß es eindeutig männliche Wesen sind, die in diesen Nächten das Böse symbolisieren und damit gleichzeitig austreiben sollen. Begleitet werden sie oft von Hexen mit Reisigbesen, die im Laufe des Schauspiels verbrannt werden.

Der Besen als Symbol des Bösen und als Transportmittel für Hexen und andere fliegende Unholde sollte zur Weihnachtszeit auch in Skandinavien möglichst sicher versteckt werden. Der Aberglaube besagt, daß die unerwünschten Geister sonst im Haus ihr Unwesen treiben könnten. Mit Geistern und Wesen hat auch eine Tradition in den baltischen Staaten zu tun, wo in der Vorweihnachtszeit verkleidete Gestalten von Haus zu Haus ziehen und lautstark singen. Sie werden überall freudig hereingebeten, die Bewohner verköstigen sie und tanzen mit ihnen, um nachtragende Verstorbene fernzuhalten und alles Böse zu verbannen.

Weniger mit Geistern als vielmehr mit einem geselligen Zusammenkommen haben die Weihnachtsschützen im Berchtesgardener Land zu tun. Seit 1666 wird in zahlreichen Gemeinden in der Adventszeit täglich um Punkt 15 Uhr mitten auf dem Marktplatz geschossen und dann gemeinsam noch ein Glühwein getrunken oder an einem der zahlreichen Weihnachtsmarktstände eingekehrt. 

Viel Wert auf Geselligkeit und Beisammensein legen auch die Tschechen in den Tagen vor Weihnachten, und so haben sich allerlei Traditionen rund um die Adventszeit entwickelt, die den Alltagsablauf der Menschen dort nicht gerade erleichtern. So wird etwa nahezu jedem Lebensmittel eine besondere Kraft in der Vorweihnachtszeit zugeschrieben, die es zu beachten gilt. Mit Getreide solle etwa bis zu den Rauhnächten das Haus besprenkelt werden, da es wiederum böse Geister fernhalte. Äpfel verleihen Ziegen eine besonders süße Milch, und das extra gebackene Weihnachtsbrot, versenkt auf den Grund eines Brunnens, gibt angeblich eine bessere Wasserqualität.

Die Rauhnächte sind jene Nachtstunden von der Thomasnacht auf den 22. Dezember bis zum Tag der Heiligen Drei Könige am 6. Januar des neuen Jahres. Nach alter germanischer Sage ist das Tor zwischen Lebenden und Toten in den „Rauchnächten“ besonders weit offen, und darum solle man sich durch das Verbrennen von allerlei Kräutern, Gräsern und Gewürzen vor dem Einfluß der Verstorbenen schützen. In gußeisernen Pfannen wird je nach gewünschter Wirksamkeit etwa Baumharz, Rosenholz, Thymian oder Salbei erhitzt. Vom Wohn- und Schlafraum bis zum Viehstall wird keine Ecke ausgespart.

Weniger bekannt als die unterschiedlichsten Adventsbräuche in Europa ist die Tatsache, daß der Adventskalender, den es neuerdings auch mit Sexspielzeug, Bier, Gin oder veganem Essen gibt, aus Deutschland stammt. Von dort bahnte er sich seinen Weg als anfangs mit Schokolade gefüllter Pappkarton oder als mit Überraschungen bestückte Stoffsäckchen-Kette in die weite Welt. Ähnlich wie die erstmals im Thüringer Wald geblasene Christbaumkugel aus Glas. Weihnachtszeit „made in Germany“.