© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Kevin Kühnert. Die Jusos attackieren die SPD. Ihr neuer Chef legt noch eine Schippe drauf
Schmetterball von links
Fabian Schmidt-Ahmad

Es dürfte mittlerweile zum Brauchtum der Jungsozialisten (Jusos) gehören, der sich um Realpolitik mühenden Mutterpartei nach Kräften in die Parade zu fahren. Insofern kann die Wahl des bisherigen Stellvertreters Kevin Kühnert zum neuen Bundesvorsitzenden der SPD-Jugendorganisation als gelungen bezeichnet werden.

Denn Kevin Kühnert hat eine Mission: „Wir sind das Bollwerk gegen große Koalitionen!“, donnerte die Ein-Mann-Fundamentalopposition nach ihrer Wahl Ende November auf dem Juso-Bundeskongreß in Saarbrücken. „Wir wollen mehr Polarisierung und Zuspitzung!“ Innerhalb von drei Tagen hätten seine Jusos bereits 10.000 Proteststimmen gegen die aktuellen Koalitionsverhandlungen der Genossen mit der Union gesammelt, verkündete der 28jährige stolz auf Twitter. Kein Interview, kein Fernsehauftritt, bei dem er nicht das Feindbild „GroKo“ ins Visier nimmt.

Das sind selbst für Juso-Verhältnisse laute Töne, die eines zeigen: Der in Berlin geborene Kühnert will Stachel im SPD-Fleisch sein. Bereits seinen Parteieintritt 2005 verstand der damals 16jährige als Protest gegen die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder. Dessen Programm „atmete den Geist von Deregulierung und Verwertungslogik“, schaudert es Kühnert noch heute. Ihn bewog jedoch Höheres, die Furcht vor „einem gesellschaftlichen Rechtsruck“ oder „fortwährende rassistische Morde“, die es zu bekämpfen galt. „Uns  war klar, daß es Mehrheiten gegen diesen Backlash nicht ohne die Sozialdemokratie geben würde. Ob es sie mit ihr geben würde, das war offen.“ 

So also beschloß Kühnert, Politiker zu werden. Mancher fragt sich, warum er, statt die SPD auf den Pfad ideologischer Tugend führen zu wollen, nicht gleich der Linken beigetreten ist? Ein Grund könnte sein, wird in Linksaußen-Kreisen spekuliert, daß er sich der „Israelsolidarität“ verschrieben habe. Daß die Berliner SPD bei der letzten Abgeordnetenhauswahl offen im islamischen Milieu auf Stimmenfang ging, bemerkte er wohl nicht.

Neben seinem Kampf gegen „GroKo“,  „Rechtsruck“ und was sonst noch von Übel ist, geht es in Kühnerts Leben eher ruhig zu. Er ist Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg und arbeitet im Abgeordnetenbüro der SPD-Politikerin Melanie Kühnemann in Berlin-Lichtenrade, wo er auch aufgewachsen ist. Ein langjähriges Politologiestudium läuft so nebenbei, erst an der FU Berlin, dann an der Fernuni Hagen. Kühnerts zweite Leidenschaft ist der Sport. Seit mehr als zwei Dekaden hält er dem Traditionsverein VfL Lichtenrade die Treue, und bei Tennis Borussia Berlin sitzt er im Vorstand. Die Koalitionsgespräche der SPD mit Schmetterbällen zu beharken – es kann sein, daß Kühnert das als sein großes Spiel betrachtet. Was die Genossen davon wohl halten werden, sollte der GroKo-Ball am Ende tatsächlich im Netz hängenbleiben?