© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Nun macht’s der Markus
Machtwechsel in der CSU: Horst Seehofer kapituliert vor der Landtagsfraktion / Sein ungeliebter Kronprinz Markus Söder wird neuer bayerischer Ministerpräsident
Paul Rosen

In der Jugendzeit hing ein Franz-Josef-Strauß-Poster über seinem Bett. In gut einem Vierteljahr dürfte Markus Söder unter der Anschrift Franz-Josef-Strauß-Ring in München postalisch zu erreichen sein. Während der 50jährige Franke mit dem Einzug in die Bayerische Staatskanzlei die ersten Früchte seines langjährigen Kampfes gegen Horst Seehofer erntet, dämmert Seehofer seinem politischen Ende entgegen und muß feststellen, daß das alte Gesetz der CSU auch für ihn gilt: Gnade für Wahlverlierer gibt es nicht, auch wenn sich die Kampfhähne der CSU mühen, nach der Entscheidung so zu tun, als seien alle Entscheidungen in großer Harmonie getroffen worden. 

So muß Seehofer mit tränenerstickter Stimme am vergangenen Montag in einer Pressekonferenz in München nach der Sitzung des Parteivorstands „einen guten Tag für die CSU“ verkünden und die „kollegiale, kameradschaftliche Zusammenarbeit“ loben – auch mit Söder übrigens, mit dem er schon länger über den richtigen Zeitpunkt des Generationenwechsels an der Spitze der  Staatsregierung beraten habe. Schon die erste Frage eines Journalisten entlarvt, daß der Altenteiler in spe hier wieder eine seiner bekannten Pirouetten dreht: Der Fragesteller will wissen, warum niemand bemerkt habe, daß er – Seehofer – schon seit Monaten Söder für den richtigen an der Spitze des Freistaats halte. Eine Antwort gibt es nicht. Später – bei leicht verbessertem Gemütszustand – bezeichnet er sich als „rundum hochzufrieden“ und ist sicher, daß man mit der neuen Formation die „höchste Erfolgswahrscheinlichkeit“ für die Landtagswahl im Herbst 2018 habe. Das ist selbst für CSU-Funktionäre noch nicht ausgemacht. 

Aber die Formation mit der „höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit“ steht – zunächst. Auch Söder spricht von einer „absoluten Stärkung“, wobei aber unklar bleibt, ob damit auch Seehofer gemeint ist. Von der Jungen Union gibt es eine Fotomontage im Internet, die zeigt, wie Söder und Seehofer mit Boxhandschuhen aufeinander losgehen. Darunter steht: „Ein starkes Team für 2018.“  Nach dem Kampf, bei dem Innenminister Joachim Herrmann und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner als weitere Aspiranten auf die Seehofer-Nachfolge schon früh auf der Strecke blieben, fand die CSU jedoch erst einmal zu der für sie typischen Einstimmigkeit zurück. Seehofer wurde im Parteivorstand beklatscht, als habe er gerade die Wahl mit 59 Prozent gewonnen, Söder genauso. Es gehört zu den bayerischen Polit-Inszenierungen, daß selbst nach großen Massakern und Nächten mit längeren und kürzeren Messern allen ein Platz in Walhalla in Aussicht gestellt wird. So war es bei der nach der Amigo-Affäre eingerichteten und jetzt häufig zitierten Vorgänger-Doppelspitze von Theo Waigel (Parteichef) und Edmund Stoiber (Ministerpräsident). Was von den Souffleuren nicht geflüstert wird: Die desaströs endende Doppelspitze von Erwin Huber und Günther Beckstein wurde zunächst ähnlich stürmisch gefeiert.  

Seehofer soll Parteichef bleiben und auf dem Parteitag Mitte Dezember in Nürnberg wieder für eine zweijährige Amtszeit kandidieren. Ob er nach Übergabe der Regierungsverantwortung an Söder ein Ministeramt in Berlin anstrebt, ließ er offen. Es spricht aber einiges dafür. 

Seehofer attestierte Söder „charakterliche Schwächen“ 

Als CSU-Chef ohne Ministeramt hätte er kein Rederecht im Bundestag, und die Mitarbeiter-Ressourcen in der CSU-Zentrale, die weiter von Andreas Scheuer geleitet werden soll, reichen nicht für einen Parteichef ohne Ministeramt. Seehofer müßte schon ein wichtiges Kabinettsamt wie das des Finanzministers bekommen, um mit Söder auf Augenhöhe zu bleiben – Landwirtschaftsminister reicht nicht. Wenn Merkel sich darauf einläßt, dann nur deshalb, um die CSU durch den Kampf zweier Gleicher zu schwächen. Geht Seehofer in Berlin leer aus, wird der Söder-Flügel ihn noch vor der Landtagswahl abräumen. Neu ist, daß Söder ab sofort an Koalitionsverhandlungen in Berlin beteiligt wird, von denen Seehofer ihn bislang fast schon zwanghaft fernhielt. Söder auf dem Berliner Parkett – das macht die Lage für Kanzlerin Angela Merkel – gelinde gesagt – unübersichtlicher. Seehofer prägte zwar starke Worte („Herrschaft des Unrechts“), knickte aber regelmäßig vor der Herrscherin ein. Söder ist ein anderer Typ. Rückzug ist für ihn ein Fremdwort. Wie sein großes Vorbild Strauß vermag er Hallen zu füllen und große Delegiertenscharen  für sich einzunehmen. Wohl um sich ein Bild der Lage der Schwesterpartei zu verschaffen, will Merkel zum CSU-Parteitag kommen, den sie vor einem Jahr aus Sorge vor einem Pfeifkonzert mied. Sorgen, daß Söder gegen sie zündeln könnte, muß sie sich kaum machen. In Erwartung des Wechsels gibt sich die CSU jetzt friedlich – das gilt selbst für eine Kämpfernatur wie Söder, so daß selbst Seehofer auf ein passables Ergebnis hoffen kann. 

Man kann sagen, daß Söder seit seiner Jugend auf die Dienstadresse Staatskanzlei hingearbeitet hat. Mit 27 zog der promovierte Jurist mit Rundfunk-Volontariat in den Landtag ein, wurde neun Jahre später Generalsekretär und danach Minister, zuletzt für Finanzen. Dort machte er sich als Kritiker der Geldflut der EZB und der Euro-Rettungspolitik genauso einen Namen wie mit seiner Forderung nach Steuersenkungen. 

Seehofer attestierte ihm „Schmutzeleien“, „charakterliche Schwächen“ und „vom Ehrgeiz zerfressen“ zu sein. Söder biß sich oft auf die Zunge und meinte einmal, für eine halbe Stunde Spaß (über Seehofer) könne er sich ein halbes Jahr Ärger einhandeln. Wie dieses in gegenseitiger herzlicher Abneigung verbundene Duo die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl holen will, wird spannend.