© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Ein Leben für den Osten
Vom jüngsten Volontär zum stellvertretenden Chefredakteur: Vollblut-Journalist Gernot Facius feiert seinen 75. Geburtstag
Bernd Kallina

Wie reich doch der Bildersaal meines Lebens war“, möchte man in metaphorischer Abwandlung eines Satzes aus Hermann Hesses „Steppenwolf“ auf die Vita von Gernot Facius übertragen, der am 6. Dezember seinen 75. Geburtstag feierte. Der Vollblut-Journalist alter Schule lernte fast alle Repräsentanten der politischen und kirchlichen Führungselite Deutschlands qua Beruf persönlich kennen, teilweise auch die des europäischen Auslands, vornehmlich aber der östlichen Nachbarstaaten. Letzteres hat mit seiner sudetendeutschen Herkunft aus Karlsbad zu tun, wo er 1942 geboren wurde und erst im Frühjahr 1949 mit seiner Familie die angestammte Heimat verlassen mußte. Das Vertriebenenschicksal ist auch der wesentliche Grund dafür, daß der 75jährige von sich sagt: „Die Deutschland- und Ostpolitik war und ist mein großes Lebensthema.“ Einen weiteren Schwerpunkt bildeten kirchliche Themen. 

Gernot Facius begann seine berufliche Laufbahn im Alter von 18 Jahren – seinerzeit als jüngster Volontär der Bundesrepublik beim Fränkischen Tag in Würzburg. Er war 1971 einer der Mitbegründer der Nachrichtenagentur Deutscher Depeschendienst. Von 1976 bis 2013 gehörte er zur Redaktion der Tageszeitung Die Welt und brachte es dort zum Stellvertretenden Chefredakteur. Seit 1988 ist Facius Mitglied der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands GKP. Mit dem sudetendeutschen Landsmann Hans („Johnny“) Klein verantwortete er 1980 das Bonner Wahlkampfbüro des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß. Nicht vergessen werden sollte auch, daß Facius zweimal Vorsitzender der Jury des nach dem legendären Chefredakteur des Berliner Tageblatts, Theodor Wolff, benannten angesehensten deutschen Journalistenpreises gewesen ist. 2015 erschien im Gerhard-Hess-Verlag sein Buch „Getäuscht und allein gelassen – Die Deutschen Vertriebenen“, in dem er sich mit der von der CSU-hörigen Spitze der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) forcierten „Reform der Landsmannschaft“ kritisch auseinandersetzte. 

Der Doyen der deutschen Korrespondenten in Prag, Hans-Jörg Schmidt, empfahl dieses Werk unter anderem mit der trefflichen Bemerkung deswegen, „weil es bislang das einzige Buch ist, das dem ‘Schmusekurs’ Horst Seehofers und der Münchener SL-Führung Fakten und Argumente entgegensetzt“. Sein jüngstes Engagement führte den jung wirkenden Jubilar, neben seiner freien Mitarbeit als JF-Autor, zum 2016 gewählten Vorsitzenden der von Alfred Schickel und Hellmut Diwald gegründeten „Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt“.