© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Knapp daneben
Saubere Leinwand
Karl Heinzen

Die französische Sozialistin Nadine Grelet-Certenais kann sich an der Kinobegeisterung ihrer Landsleute nicht erfreuen. Vor lauter Enthusiasmus drohen sie nämlich die Gefahren zu übersehen, die auf der Leinwand lauern. Und diese sind nicht trivial. 70 Prozent aller französischen Produktionen zeigen mindestens eine Szene, in der irgend jemand raucht. Für die Handlung ist sie stets völlig unerheblich, für die Gesundheit der Zuschauer aber nicht. Da der Übeltäter natürlich nicht darüber belehrt wird, wie verwerflich sein Tun ist, entsteht im unbedarften Publikum der Eindruck, es handele sich um etwas Unbedenkliches. Kaum daß die Lichter wieder angehen, springen die Besucher suchtgetrieben aus den Sitzen und eilen auf die Straße, um sich eine Zigarette anzuzünden. Entsprechend alarmierend fällt die Gesundheitsstatistik aus. Jeder dritte Franzose gilt als nikotinabhängig.

Den Blick nur in die Zukunft zu richten, greift aber zu kurz. Viele Menschen schauen gerne alte Filme.

Grelet-Certenais hat darauf eine Antwort. Sie will den französischen Filmemachern untersagen, weiterhin Rauchszenen zu zeigen. Unterstützt wird sie dabei nicht bloß von der Gesundheitsministerin ihres Landes. Aufgrund ihrer Zuständigkeit für alles, was irgendwie verboten werden kann, hat sich auch die Europäische Kommission der Initiative angenommen. 

Den Blick nur in die Zukunft zu richten, greift jedoch zu kurz. Viele Menschen schauen gerne alte Filme. Sie lassen sich nur dann wirksam schützen, wenn der Tabakkonsum aus der gesamten Kinogeschichte gelöscht wird. Handlungsbedarf gibt es zudem auch auf anderen Gebieten. So weisen Verkehrsexperten darauf hin, welch fatale Vorbildfunktion Verfolgungsjagden mit schnellen Autos insbesondere auf jugendliche Fahrer haben. Die Spannung, die ein Daniel Craig oder Matt Damon hinter dem Steuer bieten, ist viel zu teuer erkauft. Sie sollten lieber eine Fahrkarte lösen, in Bus oder Bahn Platz nehmen und versuchen, ihre Gegenspieler durch Vernunft und die Kraft der Überzeugung statt durch Gewalt und Raserei zu stellen. Wie cool kann es doch sein, den ÖPNV zu nutzen. Wäre es nicht schön, wenn endlich auch das Actionkino diese Botschaft vermitteln würde?