© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Sie könnten, wenn sie dürften
Bundespolizei: Die Asylkrise bleibt die wesentliche Herausforderung für die Beamten
Peter Möller

Die Unzufriedenheit mit der geringen Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber ist dem Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, anzumerken. „Wenn am Ende zum Teil jahrelanger behördlicher und verwaltungsgerichtlicher Verfahren bei einer rechtskräftigen Negativentscheidung die Abschiebung nicht vollzogen wird, stellt sich irgendwann die Sinnfrage zu den Verfahren selbst“, sagte Romann in der vergangenen Woche bei der Vorstellung des Jahresberichts der Bundespolizei in Potsdam. 

Sein Unmut ist nachvollziehbar, denn bei der Suche nach den Ursachen für den Abschiebestau kann seine Behörde schnell ins Fadenkreuz der Kritiker geraten. Diesen Eindruck will Romann, der Vorgesetzter von derzeit 42.577 Polizisten und Angestellten ist (Stand 1. Januar 2017), unter alle Umständen vermeiden. Denn er ist fest davon überzeugt, daß seine Behörde das Problem schnell in den Griff bekommen würde, wenn sie denn dürfte. Bereits auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 hatte die Bundespolizei Vorbereitungen für eine effektive Grenzkontrolle getroffen, wie der Journalist Robin Alexander in seinem Buch „Die Getriebenen“ herausgearbeitet hat. Doch auch hier wartete Romann vergeblich auf den Einsatzbefehl der Politik.

Ein Blick auf die Zahlen macht den Frust des Chefs der Bundespolizei verständlich. Im vergangenen Jahr wurden 26.654 Ausländer aus Deutschland abgeschoben, obwohl es mittlerweile rund 230.000 Ausreisepflichtige gibt. Und eine Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: In diesem Jahr sind die Zahlen weiter zurückgegangen. Die Behörden machen es den Betroffenen häufig leicht, ihren Aufenthalt in Deutschland zu verlängern. Viele Ausreisepflichtige werden vorab informiert und tauchen daher kurz vor dem Abschiebungstermin ab. Theoretisch wäre es möglich, Ausländer, die sich weigern, das Land wieder zu verlassen, frühzeitig in Abschiebehaft zu nehmen, um ein Untertauchen zu verhindern. 

Doch heute rächt es sich, daß viele Bundesländer vor der Flüchtlingskrise die Zahl der Plätze in Abschiebehaftanstalten drastisch reduziert haben – oder die Einrichtungen gleich ganz dichtgemacht haben. „Gemessen an der Zahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen fällt die Zahl von nur rund 400 zur Verfügung stehenden Haftplätzen zur Sicherung der Abschiebung eigentlich nicht ins Gewicht“, sagte Romann bei der Vorstellung des Berichtes.

Bericht hebt Bedeutung  von Grenzkontrollen hervor

Doch nicht nur an der Zahl der Abschiebungen läßt sich die neue, rauhere Realität in Deutschland ablesen. So registrierte die Bundespolizei im vergangenen Jahr mit 554.173 Straftaten 27 Prozent mehr Delikte als im Vorjahr. Der Hauptgrund auch hier: die massenhafte Einwanderung im Zuge der Flüchtlingskrise, die für 298.000 Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asylverfahrens- und Freizügigkeitsgesetz in der Statistik sorgte.

Auch die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Gewalttat zu werden, ist laut den Zahlen der Bundespolizei 2016 gestiegen. So gab es im Vergleich zum Vorjahr bei den Körperverletzungen eine Zunahme von 12,5 Prozent. Die Tatorte waren dabei vor allem die Bahnhöfe, für deren Sicherheit auch die Bundespolizei zuständig ist. Wie hilflos die Politik diesem Gewaltanstieg gegenübersteht, machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) deutlich: „Um diese Entwicklung wieder umzukehren, müssen wir nicht nur bundespolizeilich, sondern auch präventiv gemeinsame Antworten finden. Sicherheit ist eine Aufgabe für viele Teile der Gesellschaft – nicht nur für die Bundespolizei“, sagte er. Auch andere Zahlen aus der Statistik geben Anlaß zur Beunruhigung: Die Aufklärungsquote sank um zehn auf 72 Prozent. Gleichzeitig konnte die Bundespolizei die Zahl der Fahndungserfolge um zehn Prozent auf 134.000 Fälle steigern. Ähnlich sah es bei den volltreckten Haftbefehlen aus: Hier betrug das Plus zwölf Prozent auf nunmehr 14.000 Haftbefehle.

Wer den Bericht aufmerksam liest, dem kann die eindeutige politische Positionierung der Führung der Bundespolizei zur Frage der Grenzkontrollen kaum entgehen. So wird in dem Papier ausführlich auf die Kontrollen an der Grenze zu Österreich verwiesen, durch die 2016 insgesamt 15.735 Personen durch die Bun­despolizei nach Österreich zurückgewiesen wer­den konnten. „Das bewährte Konzept der Bearbeitungs­straßen mit standardisiertem Registrierungsver­fahren und qualizierter Sachbearbeitung wurde aufrechterhalten und flexibel an die Erfordernisse des Migrationsgeschehens angepaßt“, heißt es dazu in dem Bericht.

Die Bundespolizei habe durch diese Kontrollen dazu beigetragen, „daß neben der Eindämmung illegaler Migration ebenfalls po­lizeiliche Feststellungen in weiteren Kriminalitäts­feldern getroffen werden konnten“. Auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus habe die Bun­despolizei hierdurch einen wichtigen Beitrag zur inneren Sicherheit geleistet, lautet das selbstbewußte Fazit. Die Botschaft der Führung der Bundespolizei ist eindeutig: Wir können die deutschen Grenzen schützen – wenn uns die Politik denn lassen würde.