© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Frisch gepresst

Erinnerungskultur. Der von Hans Henning Hahn, einem notorischen Verharmloser sowjetisch-polnischer Vertreibungsverbrechen an den Ostdeutschen, und Robert Traba (Berlin), einem polnischen Historiker, der die Geschichte des deutschen Ostens retrospektiv gern unter „multiethnischen“ Vorzeichen erklärt, herausgegebene Aufsatzband über deutsch-polnische Erinnerungsorte ist unter Mitarbeit von Sabine Bamberger-Stemmann entstanden. Die als Wissenschaftlerin unauffällige Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg erzielte letztmalig überregionale Resonanz, als sie vermeintliche „Nazi“-Chiffren an den Autoattrappen eines Kinderkarussells skandalisierte. Ähnliche intellektuelle Hungerrationen verabfolgt denn auch ihr einleitender Aufsatz. Der preßt die deutsch-polnische Erinnerungskultur ins Korsett „zunehmender Autokratisierung von Staaten und Gesellschaften“ und „gestärkter Aktivität radikaler, nationalistischer Bewegungen und Parteien“. Entsprechend dieser Ideologien spulen die üblichen Verdächtigen wie Jochen Böhler („Polenfeldzug: ‘Blitzsieg’ oder Vernichtungskrieg?“) oder Adam Krzeminski („Warschauer Aufstand“) routiniert ihren Faden ab. Wobei das „Übliche“ reizvolle Einsprengsel nicht hindert. Wie den Beitrag über Rosa Luxemburg, der protokolliert, wie die gewaltaffine Spartakastin ab 1990 als Namenspatronin polnischer Straßennamen verschwand. Oder Diethelm Bleckings Essay über „Das Wunder von Bern“, der daran erinnert, daß in Oberschlesien 1954 „unser“ Sieg auf „geradezu lateinamerikanische Weise“ gefeiert wurde. (ob)

Hans Henning Hahn, Robert Traba (Hrsg.): 20 Deutsch-Polnische Erinnerungsorte, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2018, gebunden, 501 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro





Abrechnung. „Liebe Oma, meine Eltern sind völlig gaga!“ Natürlich meint Verena Rosenkranz nicht ihre Eltern persönlich, wenn sie sich in fiktiven Briefen an ihre Großmutter über ihre Mutter beschwert, die Woodstock als das Freiheitssymbol schlechthin lobpreist, sich aber empört, wenn ihre Tochter mehr als zwei Kinder bekommen möchte. Es ist die 68er-Generation, mit der die Österreicherin, Jahrgang 1990, gnadenlos abrechnet – ob in Sachen Bildung, Familie oder Gesundheit. Selbstredend, daß bei knapp 80 Seiten geballter Meinung die analytische Tiefe etwas zu kurz kommt. (ls)

Verena Rosenkranz: Aber! Eine Generation rechnet mit ihren Eltern ab. p.b.b. Verlag, Kornneuburg 2017, broschiert, 85 Seiten, 14,90 Euro




Historisches Kalenderblatt

14. Dezember 1837: König Ernst August I. von Hannover entläßt die „Göttinger Sieben“ wegen Hochverrats. Zwei Wochen zuvor hatten die Professoren der Universität Göttingen gegen die Aufhebung der 1833 eingeführten liberalen Verfassung Hannovers protestiert.