© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

In der nächsten Staffel von ‘4 Blocks’ spiele ich mit, und zwar den Gegenspieler des Clan-Chefs Hamady, der auf den schießt – aber mit einer echten, geladenen Pistole.“ Der kurdische Kulturmacher im Café des sowjetischen Sektors lacht lauthals, um sogleich klarzustellen: Bei Arabern höre seine Toleranz auf – bei jenen, die nur in dieses Land kämen, um es finanziell auszusaugen und hier ihre islamische Gemeinschaft zu etablieren. Ein Gegenentwurf dazu ist der aus einer aramäischen Familie in Damaskus stammende Rafik Schami, der in der Kulturbrauerei seine Autobiographie „Ich wollte nur Geschichten erzählen“ vorstellt, eine Gemeinschaftsproduktion der Verlage Hirnkost und Schiler. Strukturiert ist es als ein „Mosaik der Fremde“, so der Untertitel, nicht linear erzählend, sondern punktuell. Entsprechend ist auch die Buchpräsentation des Syrers, der sich ebenfalls als einer jener besseren Deutschen erweist (JF 50/17), wurde er doch in Frankfurt am Main im Jahr 1971 „zum zweiten Mal geboren“ – um heute rückblickend festzustellen: „Je mehr ich Deutsch gelernt habe, desto entfremdeter wurde ich von den Intellektuellen in Heidelberg.“ So fragten diese den Christen Schami: „Wieso wurdest du missioniert?“, denn: „Sie wußten nichts von Syrien, nichts von Ägypten.“ Bereits damals sei das Motto „Multikulti“ in Mode gewesen, wie heute „vegan“. Dabei habe er nie verstanden, was es damit auf sich habe.


Geradezu märchenhaft und doch folgerichtig erscheint Rafik Schamis Glaube, der den studierten Chemiker dazu veranlaßte, die hochdotierte Stelle als Pharmakologe bei Bayer gegen eine zunächst mittellose Schriftstellerexistenz einzutauschen. Schließlich drängte es ihn, seine nach Deutschland eingebrachte Mitgift – die literarischen Manuskripte, die ein Drittel seines Exilantenkoffers füllten – zu veröffentlichen, wodurch er das Deutsche, „eine wunderbare, logisch aufgebaute Sprache“, schätzen lernte. So stelle das „literarische Deutsch höchste Ansprüche an die Sprache.“ Anders als das Arabische, das nicht ohne zahllose Adjektive auskomme, gelängen etwa Heinrich Heine oder Thomas Mann treffliche Beschreibungen und Wertungen nahezu ohne Adjektive. Indem er deren Werke zwei Jahre lang mit der Hand abgeschrieben habe, sei ihm die deutsche Sprache zu einer Heimstatt geworden. Gleichwohl „beherrsche“ er das Deutsche nicht, doch hoffe er es zu bereichern. Dies gelingt ihm allein schon durch die andere Perspektive, die Entschlüsselung der arabischen  Kultur, deren höchstes Maß im „Gesicht wahren“ bestehe.