© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Botschafter des deutschen Schlagers
Fernsehgeschichte: Der Hitparaden-Moderator Dieter Thomas Heck wird achtzig
Harald Melzer

Hier ist Berlin, und das Zweite Deutsche Fernsehen präsentiert Ausgabe Nummer 1 der Hitparade. Am Mikrofon Ihr Dieter Thomas Heck. Guten Abend.“ Mit diesen Worten und einer Verbeugung stellt sich der Moderator am 18. Januar 1969 dem deutschen Fernsehpublikum vor. Über ein Jahrzehnt begrüßt Heck mit den Worten „Hier ist Berlin ...“ sein Publikum. In einer Sendung, der „ZDF-Hitparade“, die in Ost und West gern gesehen, aber vom Feuilleton nie geliebt wurde, überwältigenden Erfolg hatte, und die er aus der Taufe gehoben hatte.

Heck hielt am Schlager fest, als Beatles und Rolling Stones ihren Siegeszug antraten und deutsche Musik als konservativ und langweilig galt. Er war der Antipode zu den sich gerade zum Marsch durch die Institutionen formierenden 68ern. Dabei hatte niemand Carl-Dieter Heckscher am 29. Dezember 1937 an der Wiege gesungen, daß er einmal der Botschafter der deutschen Sprache werden würde. Im April 1943 bestand sogar die Gefahr, daß der kleine Carl-Dieter niemals wieder das Tageslicht erblickt. Bei einem Bombenangriff auf Hamburg wurde der Fünfjährige verschüttet und mußte über Nacht, fast 12 Stunden, wie er später ausrechnete, alleine unter den Trümmern des zerbombten Hauses aushalten.

Als ihn die Rettungskräfte am nächsten Tag bargen, war Heck traumatisiert und stotterte. Mit Leseübungen, kleinen Theaterrollen in der Schule, dem Auswendiglernen von Gedichten und schließlich mit Gesang kämpfte Heck gegen sein Sprachhandicap. Und auch wenn seine Gesangslehrerin eher einen neuen Fischer-Dieskau aus ihm machen wollte, er fühlte sich zum Schlager hingezogen. In seiner Biographie heißt es: „Ich mochte durchaus auch Sinfonien und Orgelwerke, aber gute deutsche Schlager begeistern mich.“

Bevor sich Heck aber dem Showgeschäft widmen konnte, legten seine Eltern auf eine solide Ausbildung wert. Nach dem Abitur erlernte er den Beruf des Autoverkäufers bei der legendären Automarke Borgward – sicher eine gute Grundlage für seinen späteren Erfolg. Gleichzeitig trat er als Sänger auf und hatte 1959 eine erste Single auf dem Markt mit dem Titel „Hippe di hopp, mein Mädchen“.

Als Schlagersänger kam er zum Radio. 1963 fuhr Heck zum Südwestfunk, sprang für einen ausgefallenen Gesprächsgast ein und half einem übernervösen Radiosprecher. Ergebnis: Heck kam besser als der Radiomoderator an und hatte einen neuen Job beim Südwestfunk. Am 16. November 1963 ging das erstemal „90 Minuten mit Dieter Heck“ über den Sender.

Jetzt ging es Jahr für Jahr weiter auf der Karriereleiter:  1964 rief Camillo Felgen, ein Hörfunkgott der ersten Stunde von Radio Luxemburg (RTL) an und holte ihn zur Verstärkung einer anderen heutigen Fernsehlegende: Frank Elstner. Er moderierte mit ihm und Dieter Weidenfeld, dem heutigen Manager von Howard Carpendale, die „Funkkantine“. Um Verwechslungen mit dem anderen Dieter zu vermeiden mußte Heck seinen Vornamen wechseln. In verschiedenen Interviews und in seiner Biographie hat er die Geschichte erzählt: „Damals hatte ich ganz gute Verbindungen zu Redakteuren von Bravo und ich schlug ihnen vor, die Leser einen neuen Namen für mich finden zu lassen. Ich stellte ein paar Namen, die mir gefielen, zur Wahl: Pit, Kai, Holger und Thomas.“ Thomas siegte mit Abstand und seitdem bis zu seinem Abschied vom Bildschirm 2007 moderierte Dieter „Thomas“ Heck.

1967 startete der Moderator bei der Europawelle des Saarländischen Rundfunks die „Schlagerparade.“ Eine Stunde lief nur deutsche Musik. Entgegen allen Bedenken der Kollegen wurde die Sendung ein so großer Erfolg, daß andere Sender das Konzept kopierten. So kam Heck zum ZDF. Die „Hitparade“ moderierte er bis 1984. 

1983 machte er mit seiner Fahrradtour vom Saarland bis nach Berlin auf die Teilung des Vaterlandes aufmerksam. Die DDR durfte er nur auf dem Fitneß-Rad im Bus durchqueren. Hintergrund der Radtour war eine verlorene Wette in der Sendung „Wetten dass ...!?“ bei Frank Elstner.

Florian Illies hat ihm in seinem Buch „Generation Golf“ ein Denkmal gesetzt. 90 Prozent der Deutschen kannten und kennen Dieter Thomas Heck, schauten die „Hitparade“, „Die Pyramide“, „Melodien für Millionen“, „Musik liegt in der Luft“ oder die verschiedenen Galas, die seine Firma für die Krebshilfe oder die Welthungerhilfe produzierte und er moderierte. Sendungen mit ihm hatten bessere Einschaltquoten als heute ein Uefa-Cup-Spiel. Er war und blieb sich immer treu. Das honorierten die Zuschauer über 40 Jahre lang, bis er auf eigenen Wunsch 2007 Abschied von der Bühne nahm.