© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Das Spiel dauert 90 Minuten
Christian Vollradt

Mens sana in corpore sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) stammt vom römischen Satiriker Juvenal, ist aber auch Devise heutiger Fitneß-Apostel: Wer sich körperlich ertüchtigt, vermag auch im Oberstübchen leistungsfähiger zu agieren. Kein Wunder, daß Unternehmen ihre Betriebssportgemeinschaften gern sehen und zuweilen sogar fördern. 

Der Bundestag ist da keine Ausnahme.Bereits seit 1951 existiert die Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e. V., in der sich für einen Jahresbeitrag von gerade einmal 42 Euro jeder Parlamentarier oder Angestellte des hohen Hauses nach Herzenslust sportlich betätigen kann. Getreu dem eingangs zitierten Motto beherbergt das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus also nicht nur die Wissenschaftlichen Dienste, sondern auch eine Sporthalle, in der viele Gruppen der Sportgemeinschaft – ob Boxen oder Yoga –  trainieren. 

Die nach außen bekannteste Riege ist – wen wundert’s – der FC Bundestag, der offiziell 1967 innerhalb der Sportgemeinschaft gegründet worden war. Prominente Namen finden sich in seinen Reihen. In der vergangenen Legislaturperiode gehörte mit Norbert Lammert der Bundestagspräsident höchstselbst zu den Kickern, die als Mitgliedsverein des DFB Bundesadler und Schwarz-Rot-Gold auf dem Leibchen tragen. So wie einst sogar Helmut Kohl. Kein Wunder, daß sich die Mannschaft gern als „erfolgreichste Fraktion“ des Parlaments bezeichnen läßt. 

Kapitän des FC Bundestag ist seit 2013 der Hamburger CDU-Abgeordnete Markus Weinberg. Er wird es auch sein, der die Parlamentskicker demnächst zum Training versammelt. Daran haben nun auch erstmals Mitglieder der AfD ihr Interesse angemeldet. Sepp Herbergers Leitsatz „Elf Freunde sollt ihr sein“ dürfte manchem Abgeordneten der „Etablierten“ nur schwer über die Lippen kommen. Wie anders war da die Situation 2014, als die FCler betrübt festgestellt hatten, eine reine großkoalitionäre Regierungsmannschaft zu sein. Damals rührten sie verstärkt die Werbetrommel bei Fußballbegeisterten in den Reihen der Opposition. Mit Erfolg. Seitdem dribbeln auch Grüne und Linke wieder mit.

Einer der neuen Interessenten ist der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen AfD-Landesgruppe, Sebastian Münzenmaier. Im gemeinschaftlichen Ballsport mit dem politischen Gegner sieht er eine Chance, Vorurteile gegen die Neulinge abzubauen. Nach außen gibt man sich im Vorstand des FC Bundestag gelassen. Die Devise scheint zu lauten: Bloß keine Angriffsfläche bieten, also die Mitgliedschaft von AfD-Abgeordneten nicht im vorhinein pauschal auszuschließen. 

Allerdings sollen nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT Grüne und Linke angedeutet haben, sie würden auf keinen Fall gemeinsam mit AfD-Leuten in einer Formation spielen. Der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek sieht das anders, knüpft das Mitspielen der AfDler jedoch an Bedingungen: Sie müßten die Prinzipien des Teams unterschreiben können. „Wir sind gegen Rassismus und für Flüchtlinge“, sagte er dem Deutschlandfunk. Aber wie meinte Fußball-Philosoph Otto Rehhagel einst: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz.“