© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

Wie Easyjet der Lufthansa gefährlich werden kann
Luftfahrt: Nach der Air-Berlin-Pleite wollen die Briten ab 5. Januar auch innerdeutsch fliegen / Weitere Anbieter stehen in den Startlöchern
Carsten Müller

Nach dem Zusammenbruch von Air Berlin steht der deutsche Luftverkehrsmarkt vor einer Neuordnung. Hoffnungen auf einen schärferen Wettbewerb zu Lasten des Platzhirsches Deutsche Lufthansa (DLH) bleiben wohl unerfüllt. Dabei mußte die Kölner Kranichlinie – und damit ihre Billigtochter Eurowings – vor Weichnachten einen gehörigen Dämpfer hinnehmen. Denn obwohl die DLH den EU-Kartellbehörden Zugeständnisse bezüglich der wertvollen Start- und Landerechte gemacht hatte, wollten die Wettbewerbshüter nicht die geplante Übernahme der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki gutheißen.

Wiederbelebung des reduzierten Wettbewerbs?

Daraufhin beerdigte die zu bald einem Drittel ausländischen Aktionären gehörende DLH die ursprünglichen Übernahmepläne. Kurz vor Jahresultimo griff dann die spanisch-britische Holdinggesellschaft IAG über ihren katalanischen Billigflieger Vueling zu und kaufte für insgesamt 36,5 Millionen Euro die Vermögenswerte von Niki inklusive Start- und Landerecht. Die IAG selbst entstand 2011 aus der Fusion von British Airways und der spanischen Iberia. 2015 wurde die teilstaatliche irische Aer Lingus übernommen.

Und auch noch eine andere britische Fluggesellschaft wurde aktiv, die ab diesem Jahr auf wichtigen innerdeutschen Strecken zum neuen DLH-Konkurrenten werden möchte. Denn die 1995 gegründete Easyjet hat sich aus der Insolvenzmasse von Air Berlin bedient. Bislang galt Easyjet als der klassische Billigflieger, der Hunderte Strecken innerhalb Europas und nach Nordafrika anbot. Auch in Deutschland war die nach Ryanair zweitgrößte europäische Billigfluglinie bereits aktiv, allerdings nur mit Auslandsverbindungen und nicht innerdeutsch. Das möchte man nun ändern. Dafür soll der Berliner Flughafen Tegel als Basis ausgebaut werden, von der die Easyjet-Airbusmaschinen dann nach München, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart fliegen. Außerdem sollen von Tegel aus 15 europäische Ziele angesteuert werden. Über die Easyjet-Partner Norwegian und Westjet (Kanada) sind auch Transatlantikflüge möglich. Allerdings wird die Inbetriebstellung der übernommenen Air-Berlin-Flugzeuge einige Monate in Anspruch nehmen. So will Easyjet zum Start des neuen Jahres seine neuen Flugrouten mit sogenannten Wetlease-Maschinen bestücken: Man mietet Flugzeuge inklusive der jeweiligen Besatzungen von anderen Airlines. In diesem Fall kommt unter anderem der Ferienflieger Condor zum Einsatz.

Die große Frage, die sich Fluggäste und Marktexperten stellen: Wird der Einstieg von Easyjet das große Loch, das durch die Insolvenz von Air Berlin gerissen wurde, tatsächlich schließen können? Schließlich war das die Intention der EU-Wettbewerbshüter bei der Ablehnung des Niki-Deals der DLH. Derzeit gibt es zwei Prognosen: Zum einen wird der Einstieg von Easyjet den grundsätzlichen Wettbewerb auf wichtigen deutschen Strecken beleben. Allerdings ohne, daß sich die DLH wohl größere Sorgen machen müßte. Denn viele Strecken, die Air Berlin bedient hat, werden weiterhin exklusiv von der DLH angeboten. Hinzu kommt, daß sich der deutsche Marktführer durch Eurowings bereits auf den erwarteten Einstieg von anderen Billiganbietern in den deutschen Markt eingestellt hat.

Denn selbst, wenn Easyjet klar darauf ausgerichtet ist, in den kommenden Jahren weitere Strecken innerhalb Deutschlands anbieten zu wollen, wird dies Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Ein großes Fragezeichen muß man dabei hinter die irische Ryanair setzen. Der größte Billigflieger Europas hatte in den vergangenen Jahren oftmals vollmundig kundgetan, Lufthansa und Air Berlin im großen Stil angreifen zu wollen. Davon ist derzeit keine Rede mehr, nachdem Ryanair wegen diverser Probleme 2017 Tausende Flüge streichen mußte und aktuell mit den Gewerkschaften im Clinch liegt. Daß die von dem raubeinigen Iren Michael O’Leary geführte Airline derzeit mehr mit sich selbst zu tun hat, als an Expansion denken zu können, läßt sich auch daran erkennen, daß Ryanair beim Bieterrennen um Niki nicht mitmachte.

Die zweite Prognose für den deutschen Flugmarkt: Er dürfte vielfältiger werden. Auch wenn die DLH Marktführer bleibt, könnten sich neben Easyjet weitere Fluggesellschaften punktuell im innerdeutschen Verkehr stärker engagieren. Im Mittelpunkt der Spekulationen steht dabei die Berliner Logistikfirma Zeitfracht. Diese übernahm vor kurzem die in Köln beheimatete kleine Airline WDL, deren Geschäft bislang Charterflüge und Flugzeugleasing waren. Zeitfracht hat bereits die Technik- und Frachtsparte von Air Berlin übernommen. Außerdem bemüht man sich um die Übernahme eines schweizerischen Regionalfliegers, nachdem man bei Niki nicht zum Zuge kam. Auch wenn es erklärtes Ziel von Zeitfracht ist, weiterhin in der Hauptsache im Frachtverkehr tätig zu bleiben, könnte man durch die inzwischen erworbene Flugzeugbetriebsgenehmigung aus der Übernahme von WDL auch zur regulären Airline werden und damit in den Wettbewerb auf innerdeutschen Strecken einsteigen.

Dreh- und Angelpunkt der Neuordnung auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt bleiben letztlich die Start- und Landerechte. Die Lufthansa mußte hier Verzicht üben, wodurch die Chancen steigen, daß viele dieser Rechte in einen Pool gelangen, aus dem dann verschiedene Airlines neu versorgt werden. Das könnte bedeuten, daß auch noch andere Fluggesellschaften aus dem Ausland zum Zuge kommen. Aus Passagiersicht kann das nur gut sein. Denn je schneller die Kapazitätslücken geschlossen werden, die durch die Air-Berlin-Pleite gerissen wurden, um so schneller dürften auch die Ticketpreise wieder sinken.

Hans Michelbach, Finanzobmann der Unionsfraktion, sorgt sich hingegen um den kurz vor der Bundestagswahl von der Bundesregierung genehmigten 150-Millionen-Euro-Überbrückungskredit für Air Berlin. Die deutschen Steuerzahler würden davon wahrscheinlich „nichts wiedersehen“, warnte der CSU-Abgeordnete. „Die bislang bekannten Details lassen den Eindruck entstehen, daß Brüssel während der Prüfung des vom Air-Berlin-Gläubigerausschuß favorisierten Lufthansa-Angebots Geheimverhandlungen geführt und den Abbruch der Gespräche durch Lufthansa provoziert hat, um einem bestimmten Investor eine Übernahme zum Schnäppchenpreis zu ermöglichen“, mutmaßte der Chef der Mittelstandsunion Bayern.

Konkurrenten von Lufthansa/Eurowings:

 www.easyjet.com/de

 www.vueling.com/de