© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Der Skandal um die libyschen Milizen, die Menschen, die illegal nach Europa einwandern wollen, abfangen und als Sklaven verkaufen, sollte nicht davon ablenken, daß man es mit einem globalen Problem zu tun hat. Nach einem Bericht der Washington Post gibt es weltweit 21 Millionen Sklaven. Den höchsten Anteil weist Mauretanien mit vier Prozent der Bevölkerung auf. Auch sonst rangieren muslimisch geprägte Staaten in der Liste der sklavenhaltenden Länder weit vorn. Daneben finden sich Indien und China – wegen der Zwangsarbeitslager – sowie zahlreiche Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Einer Untersuchung des amerikanischen Ökonomen Siddharth Kara von 2016 zufolge erwirtschaftet ein Sklave für seinen Herrn oder seine Herrin im Durchschnitt knapp 4.000 US-Dollar pro Jahr. Allerdings variieren die Gewinne enorm, die Spanne reicht von wenigen Cent bis zu mehreren tausend Dollar. Insgesamt rechnet Kara mit einem Jahresgewinn von 150 Milliarden Dollar, der aus dem Besitz von Menschen gezogen werden kann.

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Der Bedeutungsverlust des Christentums ist auch daran zu erkennen, daß sich die kirchenferne Dame zum ausnahmsweisen Besuch des Gottesdienstes auftakelt, als ginge es um ein Party Event.

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Die Leitung des Roten Kreuzes in Belgien hat die Anweisung erteilt, alle Kruzifixe aus den Räumlichkeiten der Hilfsorganisation zu entfernen, da sich die Mehrzahl seiner Schutzbefohlenen durch dessen Anblick irritiert fühlen könnte.

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Das massenhafte Auftreten irgendwelcher Kampfmaiden im Bereich Historical, Science-fiction, Fantasy ist natürlich feministischen Vorgaben geschuldet. Indes: Bei der neuerlichen Untersuchung eines Grabes, das bereits 1880 in der schwedischen Wikingersiedlung Birka gefunden wurde, und das mit besonders reichen Beigaben ausgestattet war – Schwert, Kampfmesser, Lanze, Pfeile, Schilde, zwei Pferde und eine Art Strategiespiel – kam man zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt hat. Das läßt die Vorstellung von Walküren oder jenen dreihundert „Schildjungfrauen“, die an der Schlacht von Bravalla (wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts) teilgenommen haben, wesentlich weniger phantastisch erscheinen.

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Ich ziehe in Erwägung, mir für den Fall der zwangsweisen Begegnung mit irgendwelchen Blagen Kärtchen drucken zu lassen, die den elterlichen Versagern mit einer knappen Verbeugung überreicht werden; darauf nur der Satz: „Haben Sie es schon einmal mit Erziehung versucht?“

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Kelvin Holdsworth, Geistlicher der Schottischen Episkopalkirche, fordert in seinem Blog alle Christen auf, dafür zu beten, daß Prinz George, der Sohn des Thronfolgerehepaars, homosexuell werde.

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Die Redewendung „Man muß sich noch im Spiegel ansehen können“ ist außer Gebrauch. Das hat Gründe.

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In Niedersachsen wird über die Einführung eines weiteren christlichen Feiertages diskutiert. Noch ist keine Entscheidung getroffen, was natürlich auch an der konfessionellen Spaltung liegt. Um den ökumenischen Frieden zu wahren und gleichzeitig das zu tun, was man in kirchlichen Kreisen so gerne tut – ein Zeichen setzen – wird hier vorgeschlagen, für den Tag des Erzengels Michael, den 29. September, zu entscheiden. Damit käme der Deutschen Reichspatron und Nationalheiliger zur Geltung, Niedersachsen könnte eine Vorreiterrolle für die anderen Bundesländer übernehmen, man würde den Brauch des „Michaelisfeuers“ wieder aufleben lassen, beim Festmahl den „Lichtbraten“ servieren (nach der Herbst-Tagundnachtgleiche durfte bei Kerzenschein gearbeitet werden) und zum Schluß der Gottesdienste das schöne Schlachtlied „Der deutsche Michel“ singen (Text: Ottokar Kernstock; Komposition: Arnold Schönberg), in dessen erster Strophe es heißt: „Sanct Michel, der vor Gottes Thron / Hält mit den Engeln Wache, / Du bist der Deutschen Schutzpatron; / Entscheide uns’re Sache! / Thu um Dein Schwert, zäum’ auf Dein Roß, / Und zeuch voran dem Heere! /Es gilt die deutsche Ehre! / Sanct Michel, salva nos!“

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Einer neueren Untersuchung zufolge sind Menschen, deren IQ deutlich über 120 liegt, als Führungskräfte ungeeignet. Das hat wahrscheinlich ähnliche Gründe wie das Scheitern überdurchschnittlicher Intelligenzen an Börsenspekulationen. Man ist gewohnt, die Dinge geistig zu beherrschen und verwechselt diese Fähigkeit mit derjenigen, die Dinge auch im wirklichen Leben unter Kontrolle zu haben. In Aldous Huxleys Zukunftsroman „Schöne neue Welt“ wird en passant von einem Experiment berichtet, bei dem die Herren der menschlichen Züchtung beschlossen hatten, eine Gemeinschaft aus Genies aufzubauen. Es endete in einem Desaster, was auch für die spekulative Begabung des Autors spricht.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 19. Januar in der JF-Ausgabe 4/18.